Armin Laschets antisemitische Vergangenheit?

Foto von Olaf Kosinsky - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=97943526
761 1024 Kai Gondlach

Armin Laschet, Kanzlerkandidat der CDU bei der Bundestagswahl 2021, könnte konservativer sein, als allgemein bekannt ist. Um nicht zu sagen: Laschet fiel in der Vergangenheit durch antisemitisches und NS-verherrlichendes Gedankengut auf. Angesichts der langjährigen Regierungsbeteiligung der Union wundert es allerdings nicht, dass diese Vergangenheit ad acta gelegt scheint. Durch Zufall stieß ich Anfang September im offiziellen Wikipedia-Artikel über Armin Laschet auf eine Passage, die mich stutzig machte:

„1988 war Laschet als Redenschreiber im Team von Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU) tätig, bis der wegen seiner Gedenkrede zu den Novemberpogromen 1938 zurücktreten musste.“[1]

Die Referenz leitete leider zur falschen Quelle, weshalb ich selbst Nachforschungen anstellte. Zwei Fragen haben mich dabei geleitet: Warum trat Jenninger zurück und welche Rolle spielte Laschet dabei?

Warum trat Jenninger zurück?

Am 10. November 1988 hielt Bundestagspräsident Philipp Jenninger eine Rede (Audio und Transkript vorhanden[2]) im Deutschen Bundestag in Bonn anlässlich des 50. Gedenktages der NS-Novemberpogrome (Beginn 09.11.1938, auch Reichspogrom- oder Kristallnacht genannt). Es gab bereits im Vorfeld einen Eklat, als neben sämtlichen Fraktionen selbst der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland keine Redezeit erhielt.[3] Armin Laschet, damals noch als Journalist tätig, arbeitete für Jenninger – dass das nicht in seinem offiziellen Lebenslauf der CDU[4] auftaucht, wundert nicht. Die Presse im Ruhrgebiet wiederum erwähnte den „Fauxpas“ 2010.[5] Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung wiederum nennt Laschets Rolle in der Sache, relativiert aber auch die Schwere der Entgleisungen.[6]

Zitate aus der Rede:

  • „Die Juden in Deutschland und in aller Welt gedenken heute der Ereignisse vor 50 Jahren. Auch wir Deutschen erinnern uns an das, was sich vor einem halben Jahrhundert in unserem Land zutrug, …“
  • „Die Jahre von 1933 bis 1938 sind selbst aus der distanzierten Rückschau und in Kenntnis des Folgenden noch heute ein Faszinosum insofern, als es in der Geschichte kaum eine Parallele zu dem politischen Triumphzug Hitlers während jener ersten Jahre gibt.“
  • Machte nicht Hitler wahr, was Wilhelm II. nur versprochen hatte, nämlich die Deutschen herrlichen Zeiten entgegenzuführen? War er nicht wirklich von der Vorsehung auserwählt, ein Führer, wie er einem Volk nur einmal in tausend Jahren geschenkt wird?“
  • „Und was die Juden anging: Hatten sie sich nicht in der Vergangenheit doch eine Rolle angemaßt – so hieß es damals -, die ihnen nicht zukam? Mußten sie nicht endlich einmal Einschränkungen in Kauf nehmen? Hatten sie es nicht vielleicht sogar verdient, in ihre Schranken gewiesen zu werden? Und vor allem: Entsprach die Propaganda – abgesehen von wilden, nicht ernstzunehmenden Übertreibungen – nicht doch in wesentlichen Punkten eigenen Mutmaßungen und Überzeugungen?“

Es gibt auch richtige und wichtige Bezichtigungen der Grausamkeit und Manie der Nazis. Doch das rückt die Auswüchse nicht ins Licht. Es handelt sich bei dieser Rede um eine eindeutig NS-verherrlichende und Holocaust-relativierende Rhetorik; und in diesem Sinne vollkommen unangemessene Rede eines deutschen Amts- und Würdenträgers. Viele Stellen lassen sich nicht anders als „rechtsextrem“ feststellen. Das habe ich mit einer Historikerin und NS-Expertin geklärt.

Folgerichtig trat Philipp Jenninger am nächsten Tag aufgrund der öffentlichen Reaktionen zurück.

Welche Rolle spielte Laschet bei der rechtsextremen Rede?

Armin Laschet hat 1988 für den damaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger als einer der Redenschreiber gearbeitet. Welchen Anteil Laschet zur Rede beigesteuert hat, ist unklar. Klar ist, dass er deren Inhalt darauf wenig später verteidigte. Genauer: Er veröffentlichte wenig später gemeinsam mit seinem Schwiegervater und Verleger Heinz Malangré das Buch „Philipp Jenninger. Rede und Reaktion“ mit schwarz-rot-golden eingerahmtem Titel. Darin verteidigen sie die Rede, drücken ihr völliges Missverständnis über die öffentlichen Reaktionen aus und bekräftigen stattdessen, dass viele Bürger die Rede großartig fanden.

Es steht also außer Frage, dass zumindest vor 32 Jahren Armin Laschet, Kanzlerkandidat der CDU 2021, deutlich braun gefärbtes Gedankengut in sich trug.

Diese Episode ist im Wahlkampf 2021 noch nicht aufgetaucht, ich konnte keine Statements dazu finden, lediglich weitere Sekundärquellen. Meiner Ansicht nach ist diese dunkle Episode im Lebenslauf eines Kanzlerkandidaten eine wichtige Information für die Wähler:innen.


Referenzen (alle abgerufen am 11.09.2021)

[1] Seite „Armin Laschet“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. September 2021, 08:39 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Armin_Laschet&oldid=215493268

[2] Die gesamte Rede als Audio beim SWR: https://www.swr.de/swr2/wissen/archivradio/philipp-jenningers-rede-am-jahrestag-der-reichspogromnacht-1988-102.html und als Transkript: https://www.severint.net/2019/11/10/dokumentiert-philipp-jenningersrede-1988-zum-jahrestag-der-novemberpogrome/ – 21 Jahre später griff der WDR das Thema erneut auf: „Rede und Reaktion: Die verunglückten CDU-Worte zum 9. November“, 20.11.2019 https://blog.wdr.de/landtagsblog/rede-und-reaktion-die-verunglueckten-cdu-worte-zum-9-november/

[3] Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/171555/ungluecklicher-staatsakt-philipp-jenningers-rede-zum-50-jahrestag-der-novemberpogrome-1938

[4] https://archiv.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/lebenslauf_laschet.pdf (Zugriff bei allen Links am 11.09.2021)

[5] Ruhrbarone: „Der Kandidat von morgen und eine Rede von gestern“, 05.07.2010 https://www.ruhrbarone.de/der-kandidat-von-morgen-und-eine-rede-von-gestern/13630

[6] Konrad-Adenauer-Stiftung: https://www.kas.de/de/web/geschichte-der-cdu/personen/biogramm-detail/-/content/armin-laschet-v1

Foto Armin Laschet: Von Olaf Kosinsky – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=97943526

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