Sapiens 2.0 – Kurzer Ritt in die Zukunft der Menschheit


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Kai Gondlach

Exponentieller Technologiefortschritt, globalisierte Ökonomie, Werte- und Demografie-Wandel… was bedeutet das für Homo Sapiens in naher Zukunft? Ein globalgalaktischer Versuch, die Zukunft unserer Spezies zu denken.

Die Evolution des Menschen wurde maßgeblich durch Schlüsseltechnologien geprägt und auf immer neue Stufen gehoben. Einfache Werkzeuge, später das Rad, die Agrarrevolution, dann die Schrift. Weiter ging es später mit einigen sozialen Reformen, dann der Dampfmaschine, Strom, Internet, und plötzlich sprechen wir ganz natürlich mit Lautsprechern (Amazon Echo / Alexa, Google Home, Bixbi etc.) und unseren Telefonen (Siri, Cortana, OK Google etc.), als wären es Familienangehörige. Es ist sicher keine neue Erkenntnis, dass der technologische Wandel immer schneller wird – ich möchte meine Leser an dieser Stelle dafür sensibilisieren, sich diese gewaltige Entwicklung ganz kurz zu verinnerlichen. Die essentiellen industriellen Revolutionen habe ich in meinem Grundlagenartikel über Neue Arbeit ausführlicher beschrieben, hier belasse ich es bei der kurzen Nennung.

Nehmen Sie sich bitte ein paar Sekunden und überlegen, was sich technologisch in Ihrem Leben und dem Ihrer Großeltern verändert hat. Hatten Sie zuhause einen Farbfernseher, ein Telefon, Ihre Großeltern eine Waschmaschine oder ein Automobil? 

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Vieles von dem, was wir heute als selbstverständlich nutzen oder besitzen, war vor ein paar Jahrzehnten bzw. wenigen Generationen noch Science-Fiction. Behalten Sie diese Erkenntnis im Hinterkopf, wenn es weitergeht auf unserer Reise in die Zukunft.

Relevante Technologien der Zukunft der Menschheit

Angesichts der kürzlichen Fortschritte bei der Erforschung und Anwendung künstlicher Intelligenz gibt es inzwischen wenige Experten, die ernsthaft anzweifeln, dass wir den Tag der technologischen Singularität bald erreichen werden. Dies wird der Tag sein, an dem ein Computer(system) genauso intelligent geworden sein wird wie ein Mensch und sich fortan rasch weiterentwickeln wird; ungebunden an einen physischen Körper wird dieser nächste Schritt unfassbar schnell passieren. Anders als bei vorherigen technologischen Evolutionsphasen ist nicht absehbar, was danach passiert. Diesen Umstand der Singularität untersuchen seit den 1980er Jahren weltweit Informatiker, Mathematiker, Physiker, Philosophen und spekulieren, wie die Welt danach aussehen wird. Einige Produkte dieser Gedanken finden sich in Science-Fiction Literatur und Filmen wieder; diese möchte ich an dieser Stelle ganz bewusst ausklammern. Denn Unterhaltungsprogramm lebt von Special Effects und dystopischen Elementen, welche ich für eine ernsthafte Befassung mit Zukunft nur bedingt hilfreich finde.

Lassen Sie uns stattdessen einen stark kondensierten Blick auf Kernbestandteile unserer evolutionären Zukunft werfen.

1. Allgemeine Künstliche Intelligenz (AGI): Denken Sie jetzt nicht an den Terminator

Aktuelle Anwendungen von KI (maschinelles Lernen etc.) sind wenig mehr als ausgefeilte Statistik und lernende Algorithmen, die dank der ausgeklügelten Programmierung scheinbar biologisch einen eigenen Erfahrungsstamm aufbauen können. Und trotzdem taugen sie schon dazu, unseren Alltag zu erleichtern oder in der gegenwärtigen Form erst zu ermöglichen (siehe bspw. Lebensmittellogistik). All dies wurde seit den 1980er Jahren systematisch erforscht, kommt aber erst seit den 2010er Jahren zum Tragen, weil vorher schlicht die Computer und Netzwerke zu langsam waren, die dafür notwendigen Daten in annehmbarer Geschwindigkeit zu verarbeiten.

Die AGI wird dann erwartet, wenn das Moore’sche Gesetz in Verbindung mit neuronalen Computernetzen eine mit dem menschlichen Gehirn vergleichbare, künstliche Maschine zum Vorschein bringt. Nennenswert ist an der Stelle das „Human Brain Project„, welches sich genau dies – also die Simulation eines menschlichen Gehirns – zum Ziel gesetzt hat. Das menschliche Gehirn umfasst rund 90 Milliarden Neuronen, Erwachsene haben darüber hinaus gut 100 Billionen Synapsen, welche die einzelnen Gehirnzellen untereinander vernetzen und so komplexe Wissenszusammenhänge ermöglichen. Diese biologische Meisterleistung nachzubilden, wird mutmaßlich die letzte Erfindung der Menschheit sein – ab dann übernehmen Maschinen das Denken für uns.

Der renommierte KI-Forscher Jürgen Schmidhuber sagte in diesem Zusammenhang 2016, dass Bewusstsein so etwas wie ein Nebenprodukt des Problemlösens sei. Ungefähr in zehn Jahren erwarten optimistische Insider wie Ray Kurzweil – Zukunftsforscher und Technologiechef bei Google – diesen Zeitpunkt der Singularität. Spätestens dann konkurriert unsere Spezies in Fragen der Intelligenz mit einer nicht mehr kohlenstoffbasierten Lebensform. Die Skepsis gegenüber dieser Entwicklung bezeichne ich als Kohlenstoffchauvinismus bzw. Siliziumfaschismus. Computer werden also bald intelligenter sein als wir, doch werden sie dann auch die Menschheit versklaven oder vernichten, wie es bei Terminator oder Matrix und anderen Sci-Fi Geschichten üblich ist? Ich denke nicht. Es spricht vieles dafür, dass wir für derartige Szenarien lediglich unsere menschlichen Wert- und Handlungsheuristiken anlegen, die aber bei einer künstlichen Lebensform überhaupt nicht in dieser kulturell und historisch gewachsenen Form vorhanden wären. Rassistische Chatbots wiederum geben auch nur das Bild wieder, das ihnen von menschlichen Nutzern vorgegeben wird.Abgesehen davon zeichnet sich eine ganz andere Lösung ab, aber dazu mehr unter Punkt 3.

Fazit: Ihre Waschmaschine wird bald intelligenter sein als Sie, aber das macht nichts. Besonders in der Grundlagenforschung, der Lösung globaler Probleme und der Erkundung weit entfernter Galaxien wird die Menschheit sehr von KI profitieren. Ich rate dennoch dazu, auch mal „danke“ zu Alexa, Siri und Co. zu sagen – man weiß ja nie…

2. Lebensverlängerung und …Unsterblichkeit?

Forever young, I wanna be forever young… vielleicht wird dieser Traum aus dem Alphaville Song von 1984 bald wahr. Beim Schreiben fällt mir gerade die Ironie des Veröffentlichungsjahres in Gedenken an George Orwells dystopischen Roman auf. Aber zurück zur Ernsthaftigkeit.

Die Lebenserwartung von Menschen hat sich über die letzten 300.000 Jahren stetig verlängert, wenn man von einigen Phasen absieht. Auch oder besonders in unserer Epoche setzt sich dieser Trend fort. Vor 30 Jahren war es noch völlig normal, wenn ein Mensch mit 60 Jahren verstarb – heute wundert man sich, wenn jemand vor dem 80. Geburtstag auf natürliche Weise stirbt.

Doch auch an dieser Stelle schreitet der technologische und wissenschaftliche Fortschritt mit Siebenmeilenstiefeln voran. Mediziner, Genetiker, Biochemiker und Bioinformatiker liefern seit einigen Jahrzehnten erstaunliche Erkenntnisse über den menschlichen Körper – und wie man dessen Unzulänglichkeiten heilen, bisweilen sogar beseitigen kann. Ein paar Meilensteine:

  1. Geklonte Organe: „Etwa 9.500 Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan“, liest man auf der offiziellen BZgA-Organspende-Website. Viele von ihnen werden tragischerweise nie auf Platz 1 vorrücken, weil kein passendes Organ gefunden werden kann. Dieser Umstand könnte in wenigen Jahren bereits umgekehrt werden und Organspendeausweise werden obsolet (sind sie heute noch nicht!). Grund dafür sind Vorstöße im Bereich der künstlichen Replikation menschlicher Organe. Aus Stammzellen von Individuen werden bereits heute unter anderem Venen und Hautzellen gezüchtet und transplantiert, innere Organe werden immerhin bereits gezüchtet, um Chirurgen vor einer Operation die Probe am lebensechten Exempel zu ermöglichen. Ein ganz ähnliches Verfahren wird übrigens angewendet, um authentisches, künstliches Tierfleisch auf unsere Teller zu bringen, aber dazu schreibe ich woanders… Der Punkt ist: Wenn ab den frühen 2020er Jahren in menschlichen Körpern wie bei Maschinen Ersatzteile nach Bedarf ausgetauscht werden können – auch präventiv -, verändert sich auf einen Schlag das Bild über unsere Evolution. In ferner Zukunft werden Menschen ein Ersatzteillager bei der Krankenversicherung haben, in dem bereits geklonte Organe auf deren Transplantation warten. Vielleicht werden Sie sogar eines Tages von Ihrer Versicherung gefragt, ob Sie nicht ein gar optimiertes Herz wünschen, um noch leistungsfähiger im Sport zu sein. Fazit: Die Biologie und Medizin hat aufgehört, nur kurativ auf Rückschläge zu reagieren. Stattdessen werden Lösungen gesucht, um präventiv ein Arsenal zur Reparatur und Wartung menschlicher Körper zur Hand zu haben und die Lebensspanne der Menschen zu verlängern. 
  2. Humangenetik und CRISPR: 1990 hat sich das Humangenomprojekt gegründet mit dem Ziel, das menschliche Genom, also die komplette Abfolge der Basenpassere der DNS/DNA, zu entschlüsseln. Damit wäre dann die gesamte vererbbare Genmasse verstanden und es könnte an die gezielte Erforschung von Zusammenhängen des Gesundheitszustands mit dem Erbgut gehen, welches sich im Laufe eines Lebens zusätzlich verändert. 2001 hatten die eifrigen Forscherinnen und Forscher tatsächlich alle 23 Chromosomen und die nachfolgenden Gene (rund 20-25.000 Stück pro Mensch) und Basen sequenziert – ein Heidenaufwand, der mehrere Millionen Euro Forschungsgelder verschlang und gut elf Jahre dauerte. Inzwischen sequenzieren erste Anbieter das Genom einzelner Kunden für etwas mehr als 100 Euro innerhalb weniger Wochen. Im Ergebnis erhalten Kunden wahlweise eine genealogische Familienstammgeschichte bis hin zur komplexen medizinischen Analyse, die Aufschluss darüber gibt, welche Erbkrankheiten sich im individuellen Programmiercode befinden. 37% Chance auf Diabetes, 1% Parkinson, 18% Darmkrebs. Diese Informationen eignen sich hochgradig dafür, noch lange vor dem möglichen Ausbruch dieser Krankheiten präventiv dagegen zu wirken oder wenigstens in regelmäßigen Abständen prophylaktische Vorsorgeuntersuchungen durchzuführen. So konnten beispielsweise auf der Grundlage des 21. Chromosoms weitreichende Erkenntnisse und Therapien im Zusammenhang mit Trisomie 21 gewonnen werden. Inzwischen publizieren Forscher und Mediziner darüber hinaus öffentlichkeitswirksam Experimente an lebenden Menschen, die das Erbgut verändern (den großen Aufschrei über die in China geborenen, HIV-resistenten Zwillinge aus dem Spätherbst 2018 erinnern Sie sicher noch). Grundlage der ganzen Geschichte ist die „Genschere“ CRISPR/Cas9, welche 2012 u.a. von Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentie als wirksame Technik für eben diesen Eingriff publiziert wurde. Der Deutsche Ethikrat hat zu meinem Erstaunen derartige Eingriffe im Mai 2019 als grundsätzlich möglich bewertet, wenn dadurch großes Unheil verhindert werde. Damit ist der Weg frei für die Genoptimierung kranker Menschen, Embryonen, Phöten, Eizellen und Spermien. Fazit: Wer den Bauplan eines Menschen versteht, kann unerwünschte Ereignisse verhindern. In einigen Jahren wird jede Krankenversicherung ihren Mitgliedern kostenlose Genomsequenzierung anbieten und mit gezielten a priori Maßnahmen schlimme Krankheiten verhindern. 
  3. Pandemie „Alter“ stoppen. Eine der häufigsten Todesursachen ist – neben dem Datenschutz – der natürliche Alterungsprozess. Statistisch gesehen besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen steigendem Alter und dem Auftreten schwerer Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, verschiedene Krebsarten, Diabetes und so weiter. Altern ist tödlich! Das Immunsystem des Menschen wird mit der Zeit schwächer, ungefähr ab dem 30. Lebensjahr verlangsamt sich die angeborene Erneuerung des Zellmaterials, wodurch sich die Haarfarbe, die Hautbeschaffenheit und die Funktionstüchtigkeit sämtlicher Organe verschlechtern. Dank der hervorragenden hygienischen Standards, vollwertiger Ernährung und medizinischer Versorgung werden die Menschen in entwickelten Ländern deshalb immer älter – und sterben dann doch irgendwann. Eine internationale Allianz von Gerontologen, diversen Fach-Medizinern, Biologen, Biochemikern und Bioinformatikern hat sich vor vielen Jahren aufgemacht, diese letzte Bastion des menschlichen Leids anzugreifen. Sie kämpfen einerseits dafür, „Altern“ als Krankheit in der internationalen Tabelle der Krankheiten anzuerkennen – bzw. die unterschiedlichen Bestandteile, die das Phänomen verursachen. Andererseits erforschen sie, ob und wie der Vorgang gestoppt werden kann. Im Mai 2017 bin ich nach Madrid zum ersten „Longevity and Cryopreservation Summit“ gereist, um mir die Thematik rund um Langlebigkeit und Kryopräservation mal genauer anzusehen. Es war eine interessante Erfahrung sich mit Menschen zu umgeben, die allesamt davon überzeugt sind, mehrere Hundert Jahre alt werden zu können! Aubrey de Grey sagte mir in dem Zusammenhang, dass der erste Mensch, der 1000 Jahre alt werden wird, vermutlich bereits geboren sei – wenig später stand dieser Satz auch im Spiegel. Eine weitere Pionierin auf dem Gebiet, die ich in einem anderen Zusammenhang getroffen habe, ist Liz Parrish, Gründerin von BioViva. Liz hat eine Heilung für das Altern gefunden. Richtig gelesen. Sie hat die von BioViva entwickelte Teleomer-Therapie bereits 2015 als „Patient Zero“ an sich selbst erprobt, um das Altern aufzuhalten. Seitdem ist sie nach aktueller Lage nicht nur nicht mehr gealtert, sondern sogar rund 20 Jahre jünger geworden, gemessen an der Länge ihrer Telomere. Liz schrieb dazu: „My goal is to create treatments for people before they become patients; to create a preventative medicine institution for the next generation and evolution of healthy humans“. Forever young für alle! Um dies zu ermöglichen, kooperiert BioViva mit dem Pharmaunternehmen Stevia First Corp., um entsprechende lebensverlängernde Mittel auf den Markt zu bringen, sobald die Zulassungsverfahren erledigt sind. Wenn der Markt für Anti-Aging-Faltencreme 2016 bereits 5,4 bzw. 3,8 bzw. 1,6 Milliarden US-Dollar betrug (China / USA / Deutschland), lässt sich nur erahnen, welcher Boom durch die Verheißung einer kompletten Verjüngungskur entstehen wird. Fazit: Im jungen Körper gesund alt zu werden ist vielleicht schon bald keine Science-Fiction mehr. Überlegen Sie sich beizeiten, was Sie Ihren Kindern zum 300. Geburtstag schenken! 
  4. Kryopräservation: Sollte der medizinische Fortschritt nicht schnell genug sein, um eine Lösung für meine Todesursache zu finden, haben Kryoniker bereits einen Ausweg erdacht. Darüber habe ich mich unter anderem mit Max More, Präsident und CEO der gemeinnützigen Alcor Life Extension Foundation, und Torsten Nahm, einem deutschen Kryoniker, erstmals im Mai 2017 in Madrid unterhalten. Vereinfacht gesagt lassen sich Anhänger dieser Philosophie nach ihrem Tod einfrieren und in einem Tank mit flüssigem Stickstoff konservieren, um eventuell in einer fernen Zukunft, in der ihre Todesursache auch nachträglich heilbar geworden sein wird, wieder zum Leben erweckt zu werden. Die Idee entspringt sicherlich dem Science-Fiction-Genre, scheint aber tatsächlich zu funktionieren. Aktuell ist noch nicht vollständig geklärt, wie die eingefrorenen Menschen schadenfrei wieder aufgetaut werden können, aber auch in dem Teilgebiet der Forschung kommt man voran und hat unter anderem das Problem mit platzenden Blutkristallen bei der Erhitzung gelöst – ein Problem, das auch beim Transport einzelner Organe relevant war. Auf meine Frage, warum man ein ewiges Leben oder sogar die Rückkehr von den Toten wählen wollen würde, antwortete Max More ganz kühl: „Why would I want to die?“. Interessante Philosophie. Die Prozedur kostet den Kunden rund 80.000 US-Dollar und unterliegt strengen Auflagen, was Transport, Lagerung und Verwendung der finanziellen Mittel betrifft. Fazit: Man lebt nur einmal. Kryoniker (vielleicht) nicht. 

Fazit: Einiges deutet daraufhin, dass Menschen den scheinbar unumkehrbaren biologischen Lebensrhythmus bald überwinden werden. Künstliche Organe, Veränderung des Erbguts bei Defekten, der Sieg über das Alter und Konservierung von Menschen werden im kommenden Jahrzehnt die Lebensspanne einiger Menschen erheblich verlängern. Ethische, ökologische und soziale Auswirkungen diskutiere ich an dieser Stelle nicht – der Artikel wird so schon lang genug. Darüber können wir uns gern an anderer Stelle unterhalten!

3. Transhumanismus: Die Cyborgs kommen!

Inmitten der Debatte der beschriebenen Phänomene entstanden schon in den 1990er Jahren erste Organisationen wie Humanity+ oder die World Transhumanist Society, welche sich Gedanken um die Menschheit nach der Singularität machen. Sapiens 2.0 eben, oder wie es Yuval Noah Harari nennt: Homo Deus. Anders als in der deterministischen Denkschule der letzten Jahrtausende wird der Mensch zu seinem eigenen Schöpfer und dreht die gesamte Evolution der Spezies auf den Kopf.

Transhumanisten argumentieren im Grunde, dass Menschen seit jeher Technologie genutzt haben, um sich Vorteile gegenüber anderen Lebensformen zu verschaffen; dazu zählen meiner Ansicht nach auch soziale Innovationen wie politische und ökonomische Systeme. Besonders im 20. Jahrhundert hat diese Genese eine neue Qualität angenommen, als sich der Prozess der Auslagerung menschlichen Denkens und Wissens auf die Informationstechnologie ausdehnte. Dazu gibt es auch hübsche Grafiken im Internet, wie viele Informationen in der Menschheitsgeschichte angehäuft wurden – und welchen exponentiellen Verlauf diese Kurve besonders mit der Ausbreitung des Internets genommen hat.

Inzwischen nutzen wir alle mindestens ein Smartphone, um unser Gehirn auszulagern und mit (manchmal fremden) Menschen überall auf der Welt in permanenter Kommunikation zu stehen. Durch die Miniaturisierung der Computer wiederum wandern die smarten Helferlein schrittweise auch in die Körper der Menschen: Herzschrittmacher werden seit vielen Jahren implantiert, Hörgeräte sind kleine Hightech-Wunder, und dann sind da noch zigtausende Menschen weltweit, die einen kleinen NFC-/RFID-Chip unter der Haut tragen. Ich bin einer von ihnen, seit mich Dr. Patrick Kramer, Chief Cyborg Officer von Digiwell, im Juni 2018 beim 2b AHEAD Zukunftskongress für gerade mal 100 Euro zum Cyborg machte. Schweden hat die höchste Cyborg-Rate; hier werden die Chips in zahlreichen Bürokomplexen bereits als Türöffner benutzt, die Träger haben wichtige persönliche Informationen für den Notfall darauf gespeichert und auch Bezahlsysteme wie die kleinen, schwarzen Geräte an der Supermarktkasse, könnten bald dafür geöffnet werden. Letzteres erfuhr ich im Übrigen ganz unkonventionell im Rahmen eines Auftritts bei Computop im Juni bei der Planet Trade 2019 in Leipzig. Und es wird noch etwas weitergehen, wenn beispielsweise das lab-on-a-chip von IBM 2022 auf den Markt kommen soll: Es ist nur wenige Nanometer groß, passt somit in die Blutlaufbahn und überwacht 24/7 den Gesundheitszustand des Trägers, meldet Auffälligkeiten unmittelbar an das digitale Ökosystem, die Ärztin oder die Versicherung.

Abgesehen davon denken einige Transhumanisten noch weiter. Warum sollten wir unsere Fähigkeiten nicht noch über die humane Norm erweitern? Pionier Neil Harbisson wurde als erster Cyborg der Welt rechtlich anerkannt und trägt eine selbst entwickelte Antenne auf dem Kopf, die ihm unterschiedliche Signale aus der Umgebung direkt ins Gehirn übersetzt. Damit hat er einen Sinn mehr als andere Menschen und ist technisch gesehen kein Homo Sapiens, sondern eben ein Cyborg, ein Mensch-Maschine-Organismus. Besonders die medizinische Forschung setzte ursprünglich einen anderen Fokus, nämlich den des Ausgleichs physischer Unzulänglichkeiten – Prothesen als Ersatz für amputierte Gliedmaßen, zum Beispiel. Inzwischen sind Träger dieser Prothesen zum Teil leistungsfähiger als „gesunde“ Menschen, wie Oscar Pistorius mit seinem Sprintweltrekord faszinierend belegte. Es ist also grundsätzlich möglich, Körperfunktionen künstlich zu ersetzen und zu erweitern. Was ist der nächste Schritt?

Besonders vor dem Hintergrund der nahenden Allgemeinen Künstlichen Intelligenz haben sich viele Vorreiter auf den Weg gemacht, Menschen mit Maschinen zu verbinden. Nur so sei es möglich, einer Herrschaft der Computer zu entkommen und als Spezies zu überleben. Elon Musk beispielsweise, der berühmte Gründer unter anderem von Tesla Motors, treibt ein nicht nur in diesem Zusammenhang hochspannendes Projekt voran: Neuralink. Neuralink erforscht erstens die Funktionsweise des menschlichen Gehirns und hat sich zweitens zum Ziel gesetzt, ungefähr ums Jahr 2040 ein Gehirnimplantat auf den Markt zu bringen, welches eine direkte Verbindung zum Internet herstellt. Ein Träger denkt also beispielsweise: „Wie komme ich morgen am besten nach Berlin?“ und in Gedankenform werden ihm direkt Lösungsvorschläge der einschlägigen Mobilitätsanbieter gesendet. Dass die Übertragung von Informationen ins Gehirn über elektrische Impulse grundsätzlich möglich ist, wurde inzwischen mehrfach nachgewiesen – zuletzt spielerisch mit dem Spiel Tetris, als einem Probanden die nächste Aktion ausschließlich über elektrische Signale von zwei anderen Spielern übermittelt wurde. Wahrscheinlich wird es in dieser Umgebung einen Appstore für Wissen geben, über den jeder Zugeschaltete für 99 Cent Wissen herunterladen kann; fragt sich, wie sich das Bildungssystem dafür wappnen wird.

Fazit: Sapiens 2.0 ist also eine andere Spezies als Homo Sapiens. Selbstverständlich wird nicht am 1. Januar 2040 plötzlich jeder menschliche Erdbewohner diesen Schritt vollziehen, es deutet sich bereits jetzt die Spaltung der Spezies an. Hoffen wir, dass die Koexistenz friedlicher verläuft als bei Homo Sapiens und Homo Erectus und dergleichen.

Fazit

Die Menschheit schafft sich selbst ab – und ich meine das im besten Sinne. Für die globalen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte sind unsere Gehirne, Körper und sozialen wie auch politischen Systeme zu begrenzt. Die Verschmelzung mit Technologie scheint der logische nächste Schritt zu sein, um die Komplexität der zukünftigen Welt beherrschen zu können; diesen Schritt werden freilich nur wenige vorantreiben und sehr viele bekämpfen. Denn:

„Der größte Feind des Fortschritts der Menschheit ist der menschliche Egoismus.“

Egoismus ist hier eine unerhörte Komplexitätsreduktion vieler Faktoren: Soziale und politische Systeme, diplomatische Befindlichkeiten, Habgier, Engstirnigkeit, Kurzsicht der Entscheider*innen. Und gerade an der Stelle der obersten Entscheidungsebenen wünsche ich mir auf dem Weg in die Zukunft eine evidenzbasierte Politik, weitsichtigere Entscheidungen und schnellere Adaption lebensrettender Technologien. Aber wir sind hier schließlich nicht bei „Wünsch dir was“. Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, verstehen Sie diesen Wunsch gern als Appell an Sie, bei Zustimmung etwas proaktiv an der Situation zu ändern – und sei es durch Teilen dieses Beitrags in Ihrem Netzwerk. Danke!

Ausgewählte Quellen

DLF Nova Podcast „Hörsaal“ (2019): Kryonik: Hoffnung auf ein Leben in der Zukunft, Folge vom 21. April 2019, Vortrag von Dirk Nemitz vom 16.12.2016. Online: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/kryonik-der-glaube-an-auferstehung-durch-einfrieren

Vice (2017): Ist es wirklich wert, sich für 80.000 $ einfrieren zu lassen, um die Zukunft zu sehen? Online: https://www.vice.com/de_ch/article/pg5eg8/lebt-nur-einmal

Photo by Daniel Cheung on Unsplash

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