KI ist nicht, was du denkst – Mythen, Missverständnisse und was wirklich zählt
In der Geschäftswelt kursieren zahlreiche Mythen über KI. Viele glauben, „KI“ sei ein magisches Etikett, das jede Software schlau und jedes Gerät wertvoller macht. Dabei gilt: „Doch nicht alles, was nach KI aussieht, ist tatsächlich KI. Daher brauchen wir diese Grundlage unbedingt, wenn wir uns näher mit KI befassen möchten“ (KI jetzt!, S. 20). Mit anderen Worten: Nicht jede moderne Software verwendet tatsächlich lernfähige KI – und manchmal steckt KI an Orten, wo man sie gar nicht vermuten würde. Dieser Artikel nimmt die gängigsten Missverständnisse unter die Lupe und zeigt, was Entscheider:innen im Mittelstand wirklich über KI wissen müssen.
Mythos 1: Überall wo KI draufsteht, ist auch KI drin
Der Begriff KI wird heutzutage geradezu inflationär gebraucht. Ob in Werbung für Staubsaugerroboter oder „intelligente“ Toaster – das Kürzel KI prangt oft auf Produkten, um Innovationskraft zu suggerieren. In Wahrheit basieren viele solcher Geräte nur auf fest einprogrammierten Regeln statt auf echter Intelligenz. „Viele Roboter, so z. B. Rasenmäher-, Staubsauger- oder Industrierobo- ter, sind ebenfalls nicht KI-basiert, auch wenn sie möglicherweise so wirken. Zwar verfügen diese Geräte über jede Menge Computerchips und Sensorik, doch die Software dahinter ist oft nicht viel mehr als ein kompliziertes Regelwerk“ (KI jetzt!, S. 26). Das heißt, sie reagieren nach vordefinierten Mustern auf Befehle oder Umweltreize, ohne sich an neue Situationen anzupassen. Ein Saugroboter zum Beispiel umfährt ein Hindernis oder stoppt – aber er lernt nicht dazu, wenn man ihm nicht explizit neue Befehle einprogrammiert.
Diese Verwechslungsgefahr hat sogar einen Namen: AI-Washing. Ähnlich wie beim „Greenwashing“ (dem ungerechtfertigten grünen Image) sprechen Fachleute von AI-Washing, wenn Unternehmen ihre Produkte als KI-getrieben anpreisen, obwohl kaum oder gar keine echte KI dahintersteckt. Marketingabteilungen nutzen den KI-Hype schamlos aus – selbst Alltagsgegenstände wie Waschmaschinen werden als „KI-gestützt“ beworben [1]. Für Verbraucher und Geschäftskunden ist das irreführend. Mehr noch: Es besteht Wettbewerbsrisiko, denn falsche KI-Versprechen können rechtliche Konsequenzen haben. Entscheider:innen sollten daher kritisch hinterfragen, ob bei angeblichen KI-Produkten wirklich Maschinelles Lernen oder intelligente Algorithmen im Spiel sind – oder nur einfache Automatismen.
Mythos 2: Künstliche Intelligenz denkt wie ein Mensch
Ein weiteres Missverständnis ist die Annahme, KI würde „denken“ wie wir. Oft entsteht dieses Bild durch Sci-Fi-Filme oder medienwirksame Beispiele wie menschenähnliche Roboter. Faktisch handelt es sich bei nahezu allen aktuellen KI-Anwendungen um sogenannte schwache KI. Das bedeutet, sie sind spezialisiert auf eng umrissene Aufgabenbereiche und beherrschen genau das, wofür sie trainiert wurden – nicht mehr. „Schwache KI ist alles, was wir jetzt schon an KI-Anwendungen sehen“ (KI jetzt!, S. 23). Ein Sprachassistent kann beeindruckend flüssig reden, weiß aber nichts über andere Themen, für die er nicht programmiert wurde.
Demgegenüber steht die Vision der starken KI, die wirklich eigenständig handelt und generell denken könnte wie ein Mensch. Viele Science-Fiction-Filme basieren auf dieser Idee. Doch eine starke KI wäre gegeben, wenn eine Maschine oder Software plötzlich eigenständige Motive oder Lösungswege aufzeigt – und genau das hat bisher kein System getan. Weder ChatGPT noch selbstfahrende Autos haben eigene Absichten; sie führen nur das aus, wofür sie gemacht oder trainiert wurden. Elon Musk prophezeite zwar, dass schon in den nächsten Jahren eine Superintelligenz entstehen könnte, die schlauer ist als wir [2]. Solche Aussagen heizen die öffentliche Debatte an. Viele Forschende – darunter die Autoren von KI jetzt! – halten solche Prognosen jedoch für überzogen. Von einer tatsächlich agentischen KI, die aus eigenem Antrieb handelt, sind wir in Wahrheit noch weit entfernt.
Blick ins Innere: Statistik statt Bewusstsein
Wie „denken“ heutige KI-Systeme nun wirklich? Vereinfacht gesagt, basiert ihre Intelligenz auf Statistik, nicht auf Bewusstsein. Ein neuronales Netzwerk wie GPT-4 berechnet aus Abermillionen Beispielen die wahrscheinlich passendste Antwort – es versteht aber nicht im menschlichen Sinne die Bedeutung. Das führt zu erstaunlichen Fähigkeiten, aber auch zu Fehlern: KI kann logisch wirken und doch groben Unsinn ausgeben, wenn die Datenlage dürftig ist. So entstehen Halluzinationen, etwa falsche Fakten, weil dem Modell Kontext oder Weltwissen fehlt.
Wichtig ist, zwischen cleverer Programmierung und echter Lernfähigkeit zu unterscheiden. Nicht in jeder Schlussfolgerung auf der Basis von Big Data steckt zwangsläufig KI. Viele Analysen mit großen Datenmengen folgen festen Algorithmen, ohne dass das System dazulernt. Ein klassisches Business-Analytics-Tool kann etwa Kauftrends erkennen, arbeitet aber mit vordefinierten Rechenregeln. Statistische Modelle enthalten nicht unbedingt KI. Erst wenn ein System selbständig Muster aus neuen Daten ableitet und seine „Strategie“ anpasst, sprechen wir von Machine Learning – dem Kern echter KI. Doch selbst dann: Die Maschine hat kein eigenes Bewusstsein oder Gefühl für das, was sie tut. Sie erkennt Korrelationen, keine Bedeutungen.
Autonom vs. automatisch: Wo liegen die Grenzen?
Wenn wir von autonomen Systemen hören – autonome Fabriken, autonome Fahrzeuge – klingt das nach Maschinen, die völlig allein Entscheidungen treffen. In gewissem Rahmen stimmt das: Eine moderne KI kann im Bruchteil von Sekunden selbständig entscheiden, z. B. ob ein Objekt auf der Straße ein Mensch ist, und bremsen. Doch diese Autonomie ist relativ: Das System befolgt immer noch Regeln und Ziele, die der Mensch vorgegeben hat (etwa „Unfälle vermeiden“).
Ein oft übersehener Punkt: Selbstlernende KI ist nicht gleich selbstbestimmte KI. Erst wenn das System in der Lage ist, aus den Umgebungsdaten eigenständig zu lernen, ohne jede vorgegebene Schablone, kann man von KI-Systemen sprechen. Heutige KI lernt zwar in Trainingsphasen, aber im Einsatz folgt sie ihrem erlernten Modell. Sie wird nicht spontan kreativ oder rebellisch. Bestes Beispiel: Trotz der Bezeichnung "Full Self-Driving" ist das Autopilot-System von Tesla keineswegs voll autonom – es erfordert ständige menschliche Überwachung, weil die KI im Auto nicht mit jeder unvorhergesehenen Verkehrssituation allein klarkommt. Der viel beschworene „Roboter-Aufstand“ bleibt Fiktion – reale KI-Systeme haben keine eigenen Antriebe außerhalb der Aufgaben, die wir ihnen stellen.
Die aktuelle Debatte um Agentic AI – also KI, die eigenständig Ziele verfolgt – ist hauptsächlich theoretischer Natur. Forschende diskutieren Sicherheitsmechanismen, um zu verhindern, dass fortgeschrittene KI sich verselbständigt. Aber Stand heute zeigen selbst die klügsten Modelle keinerlei echte Selbstinitiative. Wenn überhaupt, treten Probleme auf, weil KI zu wörtlich unseren Anweisungen folgt oder unerwartete Schlupflöcher nutzt (Stichwort: Prompt Injection, wo KI dazu gebracht wird, Regeln zu umgehen). Die Verantwortung liegt also nach wie vor beim Menschen: Wir definieren die Ziele, und KI führt sie aus – im Guten wie im Schlechten.
Was Maschinen heute schon besser können – und was nicht
Trotz ihrer Grenzen leisten schwache KI-Systeme Erstaunliches. In engen Domänen übertreffen sie uns längst: Bilderkennung, Sprachübersetzung, Schach und Go spielen – überall dort, wo es um Datenmuster und Rechenpower geht, haben Maschinen die Nase vorn. Ein modernes KI-Modell kann Millionen Dokumente in Sekunden analysieren und Zusammenhänge finden, die kein Mensch je entdecken würde.
Doch wenn das Umfeld unvorhersehbar und komplex wird, stoßen Maschinen an Grenzen. Ein KI-gesteuerter Kundenchat kann einfache Anfragen blitzschnell beantworten, scheitert aber womöglich an einer ironischen Bemerkung des Nutzers. Flexibilität und gesunder Menschenverstand – das berühmte Common Sense – fehlen der KI. Sie kennt keine echten Emotionen, versteht keine moralischen Werte (außer wir modellieren sie grob als Regeln) und kann nicht spontan von einem Fachgebiet ins nächste wechseln.
Ein Beispiel: OpenAI’s neueste Modelle GPT-4o („o“ für omni) und nun auch GPT-5 beeindruckt dadurch, dass es Text, Bild und Audio gleichzeitig verarbeiten kann. Man kann ihm eine Aufgabenstellung quer durch verschiedene Formate geben – es beschreibt ein Bild, hört eine Frage und antwortet in Text. Trotzdem bleiben alle GPTs Beispiele für schwache KI: Sie glänzen in dem, wofür sie trainiert wurden (multimodale Konversation), aber sie entwickeln keine eigenen Ziele. Sie können etwa aus einem Foto und einer Frage schlussfolgern, was der Benutzer wissen will, kann aber nicht entscheiden, plötzlich ein ganz anderes Problem anzugehen, das ihm niemand gestellt hat. Es besitzt keine Alltagsintuition, sondern rechnet brav innerhalb seiner Parameter. Auch nicht mit Agenten-KIs.
Heutige KI glänzt vor allem dort, wo es um spezifische, klar definierte Probleme geht:
- Bilderkennung: KI-Systeme identifizieren Gesichter oder diagnostizieren Krankheiten auf Röntgenbildern oft präziser als Menschen.
- Sprachverarbeitung: Chatbots beantworten Kundenanfragen rund um die Uhr, Übersetzungs-KI wie DeepL liefert in Sekunden hochwertige Übersetzungen.
- Datenanalyse: Im Finanzwesen spürt KI Betrugstransaktionen auf, in der Produktion prognostiziert sie Wartungsbedarfe, bevor Maschinen ausfallen.
All diese Leistungen basieren auf Mustern in gewaltigen Datenmengen – hier spielt KI ihre Stärken aus.
Doch es gibt nach wie vor Bereiche, in denen Menschen unschlagbar bleiben:
- Kreativität und Strategie: KI kann millionenfach gelernte Stile imitieren (etwa in der Bild- oder Texterzeugung), aber keine wirklich originellen Ideen aus dem Nichts schöpfen.
- Sozialkompetenz: Führung, Teamwork, Verhandlungen – überall dort, wo Empathie und Menschenkenntnis gefragt sind, kommt KI an ihre Grenzen.
- Gesunder Menschenverstand: Was für uns selbstverständlich ist (z. B. physikalische Grundregeln oder moralische Intuition), muss einer KI erst umständlich beigebracht werden – und vieles davon kann sie (noch) nicht erfassen.
Der Mensch bleibt also in vielen Rollen unverzichtbar, gerade wenn es um das große Ganze, um Ethik oder um komplexes multidisziplinäres Denken geht. KI ist ein kraftvolles Werkzeug, kein Ersatz für menschliche Intelligenz.
Fazit: Klarheit über KI – was zählt wirklich
Für den Mittelstand ist KI Chance und Herausforderung zugleich. Umso wichtiger ist es, Klarheit zu haben, was KI leisten kann – und was nicht. Lassen Sie sich nicht von Buzzwords blenden: Ein einfaches Regelwerk macht noch keine Künstliche Intelligenz. Die wirklich revolutionären KI-Anwendungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus Daten lernen, adaptiv handeln und Aufgaben übernehmen, die bislang menschliche Domäne waren.
Statt blind dem Hype zu folgen, sollten Entscheider:innen die Mythen entzaubern und mit grundlegendem KI-Verständnis agieren. Wenn Sie wissen, wie KI tickt (dazu mehr im nächsten Beitrag dieser Reihe) und worauf es ankommt – nämlich Datenqualität, Kontext und das Zusammenspiel von Mensch und Maschine – dann sind Sie gewappnet, um die echten Chancen der KI für Ihr Unternehmen zu nutzen.
Neugierig geworden? Im Buch "KI jetzt!", von Mark Brinkmann und Kai Gondlach, erfahren Sie noch mehr über die wahren Potenziale der Künstlichen Intelligenz und wie Sie Mythen von Fakten trennen können. Lassen Sie sich inspirieren und sichern Sie sich Ihren Wissensvorsprung – KI jetzt! ist Ihr Begleiter in die Zukunft der Arbeitswelt.
[1] https://www.cmshs-bloggt.de/rechtsthemen/kuenstliche-intelligenz/ai-washing-vermeiden-rechtssicher-werben-mit-kuenstlicher-intelligenz/
[2] https://x.com/elonmusk/status/1871083864111919134?lang=en
Ein Jahr „KI jetzt!“: Was der Mittelstand seitdem gelernt hat – und was noch kommen muss
Als wir im Frühjahr 2024 unser Buch „KI jetzt!“ veröffentlichten, war die Euphorie groß. ChatGPT hatte den Sprung aus der Tech-Bubble in den Alltag längst geschafft. Führungskräfte fragten sich: „Wie können wir diese Technologie sinnvoll nutzen – ohne ins Chaos zu rutschen?“
Ein Jahr später blicken wir auf viele spannende, manchmal auch ernüchternde Entwicklungen zurück. Manche Trends haben wir damals präzise vorhergesehen – und die Realität hat sie bestätigt. Andere Dynamiken sind schneller oder radikaler gekommen, als wir es uns 2024 vorstellen konnten.
Wie wir im Buch schrieben:
„Technologische Disruption ist kein Selbstzweck. Ihr Wert bemisst sich daran, ob sie Prozesse verbessert, neue Möglichkeiten erschließt und langfristig Nutzen stiftet – für Unternehmen, Menschen und Gesellschaft.“ (KI jetzt!, S. 17)
Was wir gelernt haben
In zahlreichen Workshops, Beratungsprojekten und Gesprächen mit Entscheider:innen aus dem Mittelstand hat sich ein klares Muster gezeigt:
✅ Das Interesse ist da.
Die Auseinandersetzung mit KI ist längst kein Nischenthema mehr.
✅ Erste Use Cases entstehen.
Von automatisierten Kundenservices über Mustererkennung in der Produktion bis hin zu Prototypen im Marketing.
❌ Doch viele Projekte bleiben stecken.
Sie verharren im Pilotstatus oder versanden, bevor sie echten Mehrwert liefern.
Die Ursachen sind immer wieder ähnlich:
- fehlende klare Zuständigkeiten
- unpräzise Zieldefinitionen
- überhöhte Erwartungen an kurzfristige Ergebnisse
- Unsicherheit bei rechtlichen und ethischen Fragen
Oder wie wir im Buch gewarnt haben:
„KI ist kein Plug-and-Play. Ohne saubere Zieldefinition, Kontextverständnis und Verantwortlichkeiten verläuft selbst die beste Technologie im Sande.“ (KI jetzt!, S. 54)
Warum wir jetzt eine neue Serie starten
Genau deshalb beginnen wir – ein Jahr nach Veröffentlichung – mit „KI jetzt! – Ein Jahr später“: Eine Serie auf LinkedIn Kai Gondlach und in unserem Blog, die zentrale Inhalte des Buches neu kontextualisiert, mit frischen Erkenntnissen und einem Jahr zusätzlicher Praxiserfahrung.
Was Sie erwarten dürfen:
- Zwei Beiträge pro Woche
- Kompakte, aber gehaltvolle Impulse zur KI-Transformation
- Verständlich, praxisnah, zukunftsgewandt
- Mit einem klaren Blick auf die Chancen und Risiken
Denn die entscheidende Frage ist heute nicht mehr „Ob“ KI kommt – sondern „Wie“ sie kommt. Und: „Wie gut sind wir vorbereitet?“
„Die entscheidende Kompetenz der nächsten Jahre wird nicht das Bedienen einzelner Tools sein, sondern das strategische Einordnen ihrer Potenziale und Grenzen.“ (KI jetzt!, S. 102)
Was jetzt kommen muss
Der Mittelstand steht an einer Weggabelung: Wer KI-Integration verschleppt, riskiert nicht nur Wettbewerbsnachteile, sondern verpasst die Gelegenheit, eigene Spielregeln zu setzen.
Dazu gehört:
- Klare Verantwortlichkeiten schaffen (z. B. KI-Beauftragte oder interdisziplinäre Teams)
- Pilotprojekte schnell evaluieren und skalieren
- Datenqualität und Kontext als strategische Ressourcen begreifen
- Transparenz und Ethik nicht als „nice to have“, sondern als Wettbewerbsvorteil behandeln
Bleiben Sie dabei – und machen Sie mit
Folgen Sie mir bei LinkedIn Kai Gondlach für die Serie oder lesen Sie im Blog mit – diskutieren Sie mit uns, widersprechen Sie, bringen Sie Beispiele aus Ihrem Unternehmen ein.
Wenn Sie das Buch „KI jetzt!“ noch nicht kennen:
- Erhältlich überall im Handel
- Signierte Ausgaben direkt unter zukunft.shop
- Mengenrabatte für Unternehmen und Organisationen – ideal für Geschäftsführungsrunden, Führungskräftetrainings oder interne Innovationsprogramme. Sprechen Sie uns einfach an.
„Zukunft entsteht nicht dadurch, dass wir sie vorhersagen – sondern indem wir sie gestalten.“ (KI jetzt!, S. 211)
Neues Whitepaper: Industrie 6.0 ... die übernächste Revolution der Industrialisierung
Die industrielle Landschaft steht vor grundlegenden Veränderungen. Während viele Unternehmen noch mit der Umsetzung von Industrie 4.0 beschäftigt sind, treten neue Anforderungen und Rahmenbedingungen in den Vordergrund: ökologische Nachhaltigkeit, technologische Weiterentwicklungen, geopolitische Verschiebungen und veränderte gesellschaftliche Erwartungen.
Das vorliegende Whitepaper formuliert eine visionäre, zugleich praxisnahe Auseinandersetzung mit der Frage, wie industrielle Systeme weiterentwickelt werden können – jenseits kurzfristiger Innovationszyklen und eindimensionaler Effizienzlogik. Es ist eine Einladung zur strukturierten Auseinandersetzung mit der Frage, wie Industrie in einer vernetzten, regenerativen und anpassungsfähigen Form weiterentwickelt werden kann.
Die zugrunde liegende Argumentation folgt dem Spannungsverhältnis von industriellem Rückzug und bewusster Reindustrialisierung: Der teils schmerzhaften Deindustrialisierung der vergangenen Jahrzehnte steht die Chance einer bewusst gestalteten Reindustrialisierung gegenüber – nicht als Rückschritt, sondern als qualitativer Sprung. Inspiriert ist dieser Denkansatz unter anderem durch das Viable System Model von Stafford Beer, das Organisationen als lern- und anpassungsfähige Systeme begreift.
Neben einer Einordnung bestehender Industrieparadigmen bietet das Whitepaper zwei praxisnahe Instrumente: eine Checkliste zur Erhebung des aktuellen Industrie-4.0-Reifegrads sowie eine zur Einschätzung der eigenen Transformationsbereitschaft. Beide sollen dabei helfen, Potenziale und Handlungsbedarfe klarer zu identifizieren.
Neues Whitepaper, neuer Onlineshop
Mit dem neuen Whitepaper beginnt eine neue Ära für die Medien von Kai Gondlach und dem PROFORE Zukunftsinstitut. Unter der Domain www.zukunft.shop haben wir für Sie einen komfortablen Onlineshop eingerichtet, auf dem Sie neben den Whitepapern aus der Feder von Kai Gondlach et al. auch Videos, Bücher und Merchandise finden. Schauen Sie gleich vorbei - und probieren Sie gern den Gutschein-Code "2025KAIGONDLACH50" (ohne Anführungszeichen) aus.
FAQ eines Zukunftsforschers
In diesem Beitrag möchte ich die Fragen beantworten, die mir als Zukunftsforscher in den letzten Jahren am häufigsten in Interviews und im Bekanntenkreis gestellt wurden. Willkommen zu den FAQ (frequently asked questions, dt.: häufig gestellte Fragen) eines Zukunftsforschers - sortiert nach Häufigkeit!
Bei wie vielen Prognosen lagst du richtig?
Die Antwort kann gar nicht anders lauten als: 42. Das ist natürlich Quatsch, denn einerseits zähle ich das wirklich nicht. Natürlich freue ich mich mehr oder weniger, wenn ich richtig liege bei Entwicklungen globalen Ausmaßes. Dass ich 2019 an vielen Stellen eine Pandemie in den nächsten drei Jahren vorhergesagt habe, ist inzwischen bekannt. Ende 2021 überlegte ich unter anderem in meinem eigenen Podcast "Im Hier und Morgen", ob die russische Armee die Ukraine völkerrechtswidrig noch vor oder erst nach Silvester 2021 angreift. Meine Masterarbeit habe ich 2013 über "Kostenlosen ÖPNV" geschrieben und im Wesentlichen das Deutschlandticket als gute Lösung vorhergesagt. Aber wie viele richtige Prognosen nun insgesamt dabei waren, ist schwer zu ermitteln, da ich viele Aussagen ja auch in Diskussionsrunden in mehr oder weniger exklusivem Kreis mache, die womöglich nicht dokumentiert werden. Rein wissenschaftlich ist es also kaum möglich, eine vollständige Statistik zu erstellen.
Andererseits geht es in der Zukunftsforschung nicht unbedingt darum, richtig zu liegen. Wichtiger ist es, die von heute aus plausiblen Zukünfte zu durchdenken und Gestaltungsräume in der kurz-, mittel- und langfristigen Perspektive zu erarbeiten. Allein mit der Formulierung solcher Zukunftsbilder liefern wir also einen Teil dazu, dass die Zukunft anders wird als es heute noch plausibel (umgangssprachlich: wahrscheinlich) wäre. Im Gegenteil spielen auch Warnprognosen oft eine Rolle - das heißt, dass einige Zukunftsaussagen durchaus überspitzt formuliert werden, um Energien zu mobilisieren, sie zu verhindern.
Leider enden wir in meinem Metier oft wie die Kassandra aus der griechischen Mythologie: Wir warnen, zeigen sowohl Chancen als auch Risiken auf, aber letztlich gewinnt oft die Systemträgheit, weil man doch zu neugierig ist, das trojanische Pferd in die Festung zu lassen und zu schauen, ob die Warnung nicht doch falsch war.
Wie wird man eigentlich Zukunftsforscher:in?
Es gibt viele Lager, Beziehungsstatus: kompliziert. Anders ausgedrückt, die meisten, die in den Medien als "Zukunftsforscher" (bewusst nicht gegendert) bezeichnet werden, verdienen diesen Titel nicht. Als Zukunftsforscher werden oft schon Menschen bezeichnet, die aus ihrer Disziplin heraus Aussagen über die Zukunft treffen. Nichts könnte falscher sein, da Zukunftsforschung per se interdisziplinär ist und mindestens transdisziplinär arbeitet. Diese Bildungslücke bei Journalist:innen versuchen die Verbände und Vereine der akademischen Zukunftsforschung seit Jahrzehnten ohne nennenswerten Erfolg zu füllen.
Ich für meinen Teil bin einer derjenigen, die Zukunftsforschung studiert haben. Man muss es aber nicht studiert haben, um als Zukunftsforscher:in zu arbeiten - man sollte aber die Gütekriterien und Standards der Zukunftsforschung kennen und, soweit möglich, achten. Wer seine Quellen nicht hin und wieder offenlegt, keine methodischen Grundlagenkenntnisse hat, sollte sich also eine andere Berufsbezeichnung suchen. Böse Zungen bezeichnen diese Leute als Scharlatane und ich hege gewisse Sympathien für den Begriff.
Wie bitte, man kann Zukunftsforschung studieren??
Ja, seit 2010 gibt es den Masterstudiengang Zukunftsforschung an der Freien Universität Berlin, danach kamen einige ähnliche Studiengänge in Deutschland hinzu, bspw. an der TH Ingolstadt. International ist man da (wie immer) schon weiter. Highlights liegen in Finnland, Südafrika und Hawaii. Die internationale Community der Zukunftsforschung ist gut vernetzt und auf allen Kontinenten sehr aktiv, mit unterschiedlicher struktureller bzw. institutioneller Anbindung. Der international wichtigste Verband ist die World Futures Studies Federation.
Wie lautet der Titel eines studierten Zukunftsforschers?
Master of the Future!
... leider nicht, es ist ganz staubig: Master of Arts Zukunftsforschung.
In welchen Bereichen arbeiten Zukunftsforschende?
Es gibt im Grunde vier Arten der Beschäftigung. Die erste ist wie ich selbstständig bzw. mit einem meist sehr kleinen Forschungsinstitut (PROFORE) unterwegs. Die zweite Art findet man am ehesten in großen Unternehmen in der Nähe der Strategieabteilung - für mich ist die Arbeit im Konzern ungefähr das Gegenteil von Selbstständigkeit und passt nicht zu meinem Naturell. Der Mittelstand springt so langsam auf das Thema auf, nennt es aber meist "Trendscouting" oder ähnliches. Die dritte Beschäftigungsart für Zukunftsforschende ist in der Wissenschaft oder wenigstens freien Forschung, bspw. beim IZT oder verschiedenen Fraunhofer-Instituten; hier besteht ein nennenswerter Anteil der Arbeit darin, Förderanträge zu befüllen, um die kommenden Projekte zu finanzieren - auch nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Die vierte und wohl bekannteste Art sind Trendforschungs-"Institute", die im Wesentlichen aktuelle Trends analysieren und relativ oberflächlich in die Masse tragen. Einige nennen sich Thinktank bzw. Denkfabrik, andere behaupten sogar, sie seien Zukunftsforschungsinstitute, wieder andere gehen sehr offen damit um, dass sie Trendwissen herunterbrechen auf einzelne Branchen und Unternehmen. Auf Anfrage gebe ich gern konkrete Auskunft, welches der Unternehmen in diesem Feld zu welcher Gattung zählt.
Darüber hinaus gibt es natürlich auch zunehmend Aufmerksamkeit in der Politik und öffentlichen Verwaltung sowie zahlreichen NGOs, Vereinen und Verbänden.
Und wie wird die Zukunft?
Diese Frage kommt fast immer als typische Cocktailparty-Frage, wenn ich sage, dass ich Zukunftsforscher bin. Wer kurz darüber nachdenkt, merkt dann schnell, dass die Frage an sich natürlich unmöglich zu beantworten ist. Ich antworte in der Regel mit Gegenfragen; welches Jahr? Für wen? Welcher Bereich der Gesellschaft? Eher die zuversichtliche oder bedrückende Perspektive? Manchmal sage ich aber auch einfach: "Alles super." Zukunft ist erst einmal nur eine grammatische Zeitform und je weiter wir uns von der Gegenwart entfernen, desto mehr Möglichkeiten gibt es - irgendwo zwischen Weltuntergang und Kant'schen ewigem Frieden liegt die Antwort.
Wo auf der Welt ist die Zukunftsforschung bzw. Foresight besonders aktiv?
Das ist schwer zu beantworten. Ursprünglich stammen viele Methoden und damit auch Institutionen aus den USA, aber auch Frankreich, Großbritannien und Deutschland waren grundlegend früh dabei. Aktuell dominieren in der World Futures Studies Federation Stimmen aus Dubai und Singapur, doch auch die lateinamerikanische Community ist sehr aktiv. Eine der wichtigsten internationalen Vordenkerinnen ist wiederum Jennifer Gidley aus Australien, die unter anderem das fantastische Buch "The Future: A Very Short Introduction" (Oxford University Press) geschrieben hat.
Was hältst von Megatrends?
Die ursprüngliche Idee stammt von John Naisbitt aus den 1980er Jahren und wurde nicht nur hierzulande von einigen findigen Unternehmern gekapert und vergoldet. Dass Megatrends empirisch nicht haltbar sind und auch theoretisch bei näherer Betrachtung unsinnig sind, verraten diese Unternehmer selten. Megatrends sind letztlich nicht viel mehr als das Abbild einer globalisierten Welt, in der bestimmte Themen in der kollektiven Wahrnehmung eine größere Rolle spielen als andere. Megatrends sind praktisch der Stammtisch der Trendforschung - man kann kaum widersprechen, aber konkret wird's dann doch nicht. Außerdem entfalten Megatrends auch dadurch eine eigene Dynamik, dass sie gebetsmühlenartig wiederholt werden und gewissermaßen als sich selbst erfüllende Prophezeiung immer wieder die Sau durchs Dorf treiben. Allein der Begriff "mega" sollte aber seriöse Entscheider:innen davon abhalten, sich genau davon infizieren zu lassen.
Die Trend- und Zukunftsforschung hat es in Deutschland nicht leicht. Woran liegt das?
Ich vermute, dass dies genau mit dem missbräuchlichen Umgang mit Trends zu tun hat. Das ist ähnlich wie mit Meinungsumfragen: Wenn ich nicht genau weiß, welche Annahmen und welches Sample die Grundlage für eine Umfrage gelegt hat, sollte ich sie meiden. Trendforschung hat in Deutschland erheblichen Schaden dadurch angerichtet, dass Narrative beispielsweise aus dem Silicon Valley übernommen und als erstrebenswerte Realität verkauft wurden. Aber so einfach ist das Geschäft mit der Zukunft nicht. Doch wer sich als Prophet in der Tradition von Nostradamus sieht und unsinnige, verallgemeinerte Aussagen verbreitet, die kaum jemandem wirklich helfen, sät das Chaos.
Wie erhebt man Daten über die Zukunft?
Gar nicht. Wir arbeiten leider - im Gegensatz zum Video auf meiner Startseite - ohne Zeitmaschine und können nur Daten aus der Vergangenheit und "Gegenwart" erheben und auswerten. Was wir dafür sehr gut können, ist Plausibilität abzubilden und dadurch Gestaltungsräume zu finden, die vorher im Verborgenen blieben. Dadurch sind wir selten wirklich überrascht, wenn im Großen oder Kleinen mal wieder etwas "Unerwartetes" passiert, weil wir uns zwar meist nicht über das konkrete Ereignis, sehr wohl aber ein vergleichbares Event mit ähnlichen Auswirkungen Gedanken gemacht haben.
Wie weit schauen Zukunftsforschende in die Zukunft?
Das hängt von der Fragestellung ab. Für gewöhnlich möchten Unternehmen eher einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren dargestellt bekommen, da sie selbst mit ihrer Strategie und Vision bereits die nächsten fünf Jahre antizipiert haben. Sie wollen sich auf das vorbereiten, was dahinter kommt, aber bitte auch nicht allzu weit. Fair. Öffentliche Auftraggeber sind meist am Zeitraum 10-25 Jahre interessiert. Dann gibt es auch Projekte, in denen es zum Beispiel um die Bau-, Immobilien- oder Forstwirtschaft geht, wo man seit eh und je in einem Jahrhundert denkt. Das ist herausfordernd und ehrlicherweise auch oft inspiriert durch Science-Fiction. Für alles weitere kombinieren wir alles, was wir wissen (die sogenannten known knowns), mit allem, von dem wir wissen, dass wir es nicht wissen (known unknowns). Wir machen aber auch Aussagen darüber, was wir nicht wissen, nicht zu wissen (unknown unknowns) und schätzen auf Nachfrage die potenziellen Auswirkungen ein.
Woran erkenne ich gute Zukunftsforschung?
Das ist wahnsinnig schwierig, da es (noch) keine Standards nach DIN oder ISO gibt. Immerhin hat sich die UNESCO schon vor vielen Jahren dem Thema "Futures Literacy" (dt.: Zukünftebildung) angenommen und einen eigenen Leitstuhl (Chair) dafür eingerichtet. Daneben wäre es aus Sicht eines Auftraggebers unbedingt empfehlenswert, danach zu fragen, ob der:die Auftragnehmer:in die Standards und Gütekriterien der Zukunftsforschung kennt und befolgt - dazu gehört dann Transparenz, Offenlegung der Annahmen, Nachvollziehbarkeit und ein paar weitere. Einen Pocketguide Zukunftsforschung zum Thema gibt es kostenlos auf der Website der FU Berlin.
Gibt es ein Gütesiegel für gute Zukunftsforschung?
Nein, noch nicht - das wäre mal eine gute Aufgabe für das Netzwerk Zukunftsforschung! Dieses hat auch den Sammelband der Standards und Gütekriterien (s.o.) initiiert.
Was ist der Unterschied zwischen Trend- und Zukunftsforschung?
Trendforschung schaut eher auf sehr spezifische Branchen- oder Modetrends. Beispiele dafür sind Prognosen, welche Farbe nächstes Jahr in den Bekleidungsläden dominiert, welcher Antriebsstrang bei Fahrzeugen in zehn Jahren das Rennen gemacht haben wird oder wie die Gen Z* demnächst wählen wird.
Zukunftsforschung stellt grundsätzlich zuerst Fragen, welche Intention mit einem Vorhaben verbunden ist, welcher Zeitraum relevant ist, welche Vorarbeit schon geleistet wurde und ob es wirklich angestrebt wird, bestehende Muster infrage zu stellen. Meine erste Frage bei Projekt- oder Keynote-Anfragen ist: Beauftragt mich die Kommunikation oder die Strategie?
Ich vergleiche die beiden Herangehensweisen, die durchaus beide ihre Berechtigung haben (siehe Beitrag über die Methoden der Zukunftsforschung), gern mit einer Erstbegehung eines dunklen Kellers in einem leer stehenden Haus (= Zukunft). Um herauszufinden, was sich dort unten befindet, geht die Trendforschung vorsichtig die Treppe herunter und hält sich am Geländer fest (= bekannte Rahmenbedingung). Am Ende des Geländers bleibt sie stehen und überbringt den oben Wartenden die frohe Botschaft, dass das Geländer aus Kirschholz besteht, die Verzierungen wunderbar kreativ sind und die Treppenstufen nicht genormt sind. Das ist alles, was im Schein des von oben herunter scheinenden Tageslichts wahrnehmbar war. Was den Rest des Kellers betrifft, bleibt die Trendforschung vage - es war auch nicht ihr Auftrag. Die Zukunftsforschung überlegt sich vorher, ob dort unten im Keller eine Taschenlampe, ein Schutzhelm, eine Fliegenklatsche, vielleicht sogar eine Verteidigungswaffe nötig sein könnte; man weiß ja noch nicht, was einen nach der Treppe erwartet! Allein für die Vorbereitung wendet sie mehr Zeit auf, geht dann aber nach der Treppe deutlich weiter. Sie leuchtet alle Winkel aus, hebt möglicherweise Möbel hoch, und übersieht dennoch garantiert etwas. Und das sagt sie dann auch, wenn sie wieder zurück im Erdgeschoss ist. Weitere Antworten über dort unten befindliche Gegenstände, den Luftdruck, den Staub, etc., gibt sie weiter, wenn sie für die Fragestellung der Erdgeschossler relevant sind.
*Gen X, Gen Y, Gen Z, Gen Alpha... diese Konzepte sind empirisch übrigens kompletter Unsinn und sollten mit Vorsicht behandelt werden! Siehe dazu den glorreichen Aufsatz von Dr. Martin Schröder "Der Generationenmythos". Umgangssprachlich zusammengefasst: es gibt mehr Wert-Unterschiede innerhalb von Geburtenjahrgängen als zwischen diesen Jahrgängen. Noch umgangssprachlicher: Oma und Enkel sind sich in puncto Werte meist ähnlicher als deren Mitschüler oder Kolleginnen.
Was ist der Unterschied zwischen Science-Fiction und Zukunftsforschung?
Science-Fiction (SF) ist eine ernstzunehmende Literaturgattung und einige Werke (Romane, Filme, Serien) machen wirklich einen guten Job in der Modellierung von Zukünften. Das heißt, sie sind in sich plausibel und man könnte argumentieren, dass die beschriebenen Geschichten unter bestimmten Voraussetzungen meist technologischer Natur auch "realistisch" sind. Doch SF ist immer auch polarisierend, denn so funktioniert Unterhaltung: Ich brauche zwar einen Anker, in den ich mich aus meiner heutigen Realität hineinversetzen kann, doch dann muss das Zukunftsbild mit einigen meiner Werte und Weltanschauungen kollidieren, um Emotionen in mir auszulösen.
Zukunftsforschung hingegen extrapoliert und polarisiert weniger. Es geht vielmehr um die Sammlung von quantitativen und qualitativen Daten über einen Forschungsgegenstand, anschließend bilden wir - oft mit Auftraggebern - Annahmen über plausible Projektionen der wichtigsten Schlüsselfaktoren, schätzen dann ein, inwieweit bestimmte Projektionen logisch miteinander koexistieren könnten und dann berechnen wir softwaregestützt, welche Szenarien im Bereich des Möglichen liegen. Insofern sind wir eher Zukunftsarchäologen als Wahrsager oder fiktionale Autor:innen. Natürlich gibt es auch Projekte, in denen wir eher wünschenswerte Szenarien entwerfen, aber die kommen selten aus der Wirtschaft und Verwaltung, eher von NGOs oder einzelnen Teams, die in einem Visionsprozess stecken.
Wenn die Zukunft nicht feststeht, nicht deterministisch ist, warum gibt es dann Zukunftsforschung?
Einfach: Tunnelblick - Geschlossene Systeme sind schlecht in der 360°-Betrachtung, weil sie um ihren Nukleus kreisen. Anders ausgedrückt: Der Zweck jedes Systems - Zelle, Familie, Firma, Regierung - ist, sich permanent darum zu kümmern, dass die Daseinsberechtigung erhalten bleibt (Autopoiesis). Da kann man nur auf Sicht fahren und das ist okay. … Wir bieten ein umfangreiches Set an Orientierung, aus denen sich Gestaltungsmöglichkeiten ergeben, die natürlich von bestimmten Parametern abhängen. Einfach gesagt: Wir modellieren eine sehr komplexe "wenn, dann"-Matrix, sprechen auch über Wildcards wie Pandemien, Vulkanausbrüche oder sonstige eher unwahrscheinliche, im Eintreten aber einflussreiche Entwicklungen. Daraufhin liegt die Verantwortung wieder beim Auftraggeber, entsprechend die Prozesse, Verträge und Strategien zu überprüfen.
Letztlich verstehe ich mich eher als Komplexitätsmanager und Impulsgeber, um Organisationen zu befähigen, im Rahmen der plausiblen Zukünfte wirksam ihre eigenen Einflusssphären im Einklang mit sozialer und ökologischer Umwelt zu gestalten. Es ist meine feste Überzeugung, dass so viele Menschen wie möglich mehr Zeit mit der Antizipation möglicher Zukünfte verbringen sollten; dann wäre die Welt im besten Fall ein besserer Ort. Im schlimmsten Fall würden einige Menschen etwas Zeit am Tag mit Grübeln verbringen.
Warum hältst du Vorträge (Keynotes) über die Zukunft?
Das hat viele Gründe. Persönlich macht es mir einfach Spaß und ich habe eine Neigung dazu, mich auf Bühnen wohlzufühlen. Wichtiger ist aber, dass besonders auf Veranstaltungen aller Art Impulse über mögliche Zukünfte wahnsinnig wichtig sind. Denn in dem Moment, in dem Zukunftsbilder diskutiert werden, erhöht sich die Chance, dass diese auch eintreten (Propensität) - deshalb neige ich auch zu zuversichtlichen Botschaften. Das Ganze basiert zu einem guten Teil auf Erkenntnissen aus der Forschung und individueller Vorbereitung, letztlich aber natürlich in einem oft eher Entertainment-lastigen Format auch auf einer stringente, unterhaltsamen Argumentation.
Welche Quellen nutzt du für deine Recherchen?
So viele wie möglich, so wenige wie nötig. Pragmatisch gesprochen hängt das auch vom Budget ab. Was aber kontinuierlich passiert, ist das Verfolgen der großen Entwicklungen (Trends) in den Nachrichten (aber bitte nicht täglich), die Lektüre wichtiger Studien nennenswerter Markt- und Meinungsforschungsinstitute, Beobachtung potenzieller Wildcards und natürlich ein gut trainierter Google News Stream. Darüber hinaus führen wir Interviews mit Expert:innen für bestimmte Themen in Projekten oder Podcasts, um tiefgründige Einblicke in deren Zukunftsbilder zu erhalten. Last but not least tausche ich mich mit anderen Zukunftsforschenden und Foresight-Leuten regelmäßig aus, beispielsweise über den Alumniverein des Masterstudiengangs Zukunftsforschung "Kapitel21: Zukunftsforschung", den ich 2013 mitgegründet habe.
Offene Fragen?
Welche Fragen fehlen? Schreiben Sie mir über mein Kontaktformular und ich ergänze die Antworten schnellstmöglich!
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Neue Website online und allgemeines Update
Während der Sommer etwas stockend in Gang kam, waren wir entgegen der längeren Stille hier im Zlog nicht untätig. Im Gegenteil. Wie vielleicht der eine oder die andere schon gemerkt hat, sieht die Website seit Ende Juli anders aus. Wir haben den Relaunch bzw. Facelift einige Monate lang vorbereitet und gemeinsam mit der Speaker Agentur Athenas und den Kollegen in Dänemark umgesetzt. Keine leichte Geburt bei so vielen individuellen Funktionen und Inhalten. Einige davon haben die Überarbeitung nicht überlebt und wurden im besten Sinne in den Ruhestand befördert.
Uns interessiert nun brennend, was Sie und ihr davon halten/haltet. Funktioniert alles? Sind die Inhalte gut auffindbar? Gefallen die Videos? Fehlt etwas? Passt das neue Design gut zur Kernmarke? Wir freuen uns sehr über jede Form von Feedback, gern über das Kontaktformular.
Update von Kai Gondlach & PROFORE im Sommer 2024
Das Jahr begann turbulent und wie es sich für Turbulenzen gehört, wirken sie oft noch nach. Glücklicherweise haben sich einige strategische Entscheidungen in der Unternehmensführung der Kai Gondlach GmbH und der PROFORE Gesellschaft für Zukunft mbH als goldrichtig bzw. bis dato sehr erfolgreich erwiesen. Die Anwendung der Methoden der Zukunftsforschung aufs eigene Unternehmen hat sich wirklich gelohnt, wenn auch - wie es sich gehört - mit einigen Wachstumsschmerzen.
Die Anzahl der Presse- und Medienanfragen hat sich sehr positiv entwickelt, besonders von überregionalen Medien. Das bisherige Highlight des Jahres war natürlich mein Interview mit dem RTL Nachtjournal im Mai, von dem unfassbare 18 Minuten tatsächlich ausgestrahlt wurden. So viel Sendezeit für Zukunftsforschung in einem Top-Medium; ich weiß nicht, ob es das schon einmal gab. Die Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen im Berliner Studio hat darüber hinaus auch noch richtig Spaß gemacht, sodass ich mich schon auf zukünftige Sessions dieser Art freue!
Keynote-Update 2024
Die Keynote-Saison 2024 begann erst zögerlich, entwickelte sich dann aber rasch zur intensivsten seit 2019, dem Jahr vor Corona. Und das ist ein wahrer Grund zur Freude, denn das Jahresziel ist nun, da ich diesen Text schreibe, zu 98 Prozent erreicht und der Kalender im zweiten Halbjahr ist gut gefüllt. Vielen Dank an die vielen Menschen, die dies ermöglicht haben und weiterhin ermöglichen! Außerdem 1000 Dank an die zahlreichen Menschen, die ich im Zuge der bisherigen 23 Auftritte dieses Jahres kennenlernen durfte. Mein Highlight war eine Reise nach Oldenburg auf Einladung der dortigen Wirtschaftsförderung - dort traf ich auf ein großes, begeistertes Publikum, wertschätzende Kundengespräche und einen echten DeLorean wie im Film "Zurück in die Zukunft" (und meinem Imagefilm). Der Herbst wird aller Voraussicht nach sehr reiseintensiv und es gibt nur noch wenige Zeitfenster in meinem Kalender, zu denen ich neue Termine annehmen könnte. Einerseits eine schöne Situation, da ich dann in meinem Element bin, andererseits schade, wenn interessante Anfragen aus Kapazitätsgründen abgelehnt werden müssen. Aber heute ist nicht alle Tage, ich komm' wieder, keine Frage!
Buch-Update 2024
In der Zwischenzeit erschien mein erstes Sachbuch "KI jetzt!" Ende April, in dem ich gemeinsam mit dem KI-Experten Mark Brinkmann den Spagat probiert habe, sowohl die wichtigsten Begriffe und Konzepte (und natürlich Zukunftsbilder) von Künstlicher Intelligenz zu beschreiben, als auch konkrete Starthilfe für Führungskräfte in Organisationen zu geben, wie sie KI gewinnbringend implementieren können. Viele positive Rezensionen in diversen Medien lassen den vorsichtigen Schluss zu, dass dieser Spagat ganz gut funktioniert hat, was mich sehr glücklich macht. Immerhin entstand das Buch in kürzester Zeit und zwischendurch erschien der für mich wichtigste Protagonist auf der Bühne meines Lebens - mein Sohn, der inzwischen das erste Lebensjahr mit allen Höhen und Tiefen erfoglreich absolviert hat und unsere Leben durcheinanderwirbelt.
Noch ein wichtiges Buchprojekt wird demnächst veröffentlicht: Gemeinsam mit drei Co-Herausgebenden habe ich in den letzten zwei Jahren einen bislang einzigartigen Sammelband in drei Teilen vorbereitet, an dem über 200 Autor:innen mitgewirkt haben. Die Rede ist von "Regenerative Zukünfte und künstliche Intelligenz" in den drei Bänden PLANET, PEOPLE und PROFIT, welche im Springer VS Verlag und konkret der Sonderserie zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDG) erscheinen werden. Über 100 Beiträge aus dem großen Spektrum der Nachhaltigkeit auf allen Ebenen haben wir ausgewählt, gelesen, strukturiert und machen sie demnächst verfügbar für die interessierte Öffentlichkeit. Darin enthalten sind sowohl Problembeschreibungen als auch innovative Lösungsansätze, Konzepte und Utopien. Den Verkaufspreis haben wir auf 49,90 Euro reduzieren können, was für Fachbücher dieses Umfangs sehr günstig ist - dafür verzichten wir auf Tantiemen. Warum? Weil wir möchten, dass die wertvollen Inhalte eine möglichst große Zielgruppe erreichen! Zudem gibt es wohl kaum einen besseren Beweis für intrinsische Motivation, als ein solches Mammutprojekt pro bono zu stemmen. Umso dankbarer sind wir, wenn diese Botschaft bei möglichst vielen Gelegenheiten weitererzählt wird! Der erste und zweite Band erscheinen noch in diesem Jahr, PROFIT folgt dann Anfang 2025.
Derweil hat meine Co-Herausgeberin von "Arbeitswelt und KI 2030" (Springer Gabler), Dr. Inka Knappertsbusch, die zweite, erweiterte Auflage des Bestsellers (über 700.000 Zugriffe allein bei Springer!) maßgeblich vorangetrieben und organisiert. Ein paar Beiträge konnte ich auch lesen und korrigieren und kann schon jetzt sagen: Das Update wird noch besser als das Original und mit fast doppelt so vielen Beiträgen auch deutlich umfangreicher. Das Veröffentlichungsdatum steht noch nicht fest; bei Linkedin werde ich auf jeden Fall darüber berichten, vermutlich auch im Newsletter.
Last but not least habe ich ein neues Buchprojekt gestartet. Dabei handelt es sich wieder um ein Sachbuch, bei dem ich mich als Co-Autor eingeklinkt habe. Viel darf ich über den Inhalt noch nicht verraten, aber so viel: Es besetzt eine einzigartige Nische im Business-Bereich und wird auch stilistisch für viele neuartig sein. Ein Veröffentlichungsdatum gibt es noch nicht, da die Verlagsabsprachen noch laufen. Stay tuned!
PROFORE-Update 2024
Ein paar Takte zum unternehmerischen Big Picture. Das PROFORE Zukunftsinstitut wird in diesen Tagen zwei Jahre alt und hat damit den wichtigsten Meilenstein für ein junges Unternehmen geschafft! Jetzt sind wir sogar KfW-kreditwürdig 😇 Der Beiname "Zukunftsinstitut" ist natürlich ein kleiner Sidekick zu den Kolleg:innen nach Frankfurt, das Geschäftsmodell und die Angebote könnten in derselben Branche kaum unterschiedlicher sein. Was PROFORE auszeichnet, ist seine Dezentralität, Agilität und der klare Fokus auf Erkenntnisvermehrung der Kundschaft. Wir machen keinen Outbound-Vertrieb, sondern stellen für jedes Projekt einzigartige und kompetente Teams zusammen.
Aktuell realisieren wir mit einem kleinen Team eine wahnsinnig spannende und zukunftsweisende Szenarioanalyse in der Immobilienwirtschaft. Darüber wird es ab November mehr Infos geben. Nur so viel: Nach einigen Monaten Recherche, vielen Interviews und einer Online-Befragung ergaben sich 460 Milliarden verschiedene Szenarien, die wir computergestützt errechnet haben, was selbst mit einem Hochleistungscomputer mehrere Tage gedauert hat. Cliffhanger: Die Arbeit hat sich gelohnt! Darüber hinaus macht die Foresight Akademie wichtige Schritte in die richtige Richtung. Was dahintersteckt, wird schon bald im Newsletter kommuniziert werden.
Derweil arbeite ich mit einem völlig anderen Team an einer Startup-Idee, die das Potenzial hat, den demografischen Wandel und die angespannte Fachkräftesituation nachhaltig zu verändern. Mehr kann ich natürlich noch nicht verraten, damit will ich nur sagen: Meine Interpretation von Zukunftsforschung beinhaltet durchaus auch die aktive Zukunftsgestaltung 😉
Fazit
Das Jahr 2024 ist alles andere als entspannt oder geradlinig verlaufen und mit diesem Befund bin ich ganz sicher nicht allein. Die Nachfrage nach seriösen Zukunftsanalysen hat sich nach Corona- und Ukraine-Schock endlich erholt, was mich als intrinsischen
Kai Gondlach im RTL Nachtjournal
Neulich war ich zu Gast bei RTL im Hauptstadtstudio, um Auskunft über die Zukunft zu geben. Moderatorin Clara Pfeffer hat mich im Nachtjournal Spezial sehr lang über meine Einschätzungen zu aktuellen Themen und deren mögliche Zukünfte ausgefragt:
https://plus.rtl.de/video-tv/shows/rtl-nachtjournal-spezial-177848/2024-5-1002693/episode-62-rtl-nachtjournal-spezial-interview-mit-dem-zukunftsforscher-kai-gondlach-970090
Die Fragen drehten sich natürlich um wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen. Ich sprach die aktuelle Rezession, aber auch die Reindustrialisierung an - das "grüne Wachstum", das einerseits von der Industrie und Beschäftigten teilweise noch kritisch beäugt wird, andererseits sind deutsche Firmen und Beschäftigte teilweise Pioniere. Wohnungsmangel, Resilienz, Privilegien - viele Themen haben wir besprochen. Und natürlich Künstliche Intelligenz (KI). Die Frage: Ist das eine Revolution? "In zehn Jahren werden wir uns wundern, was für sinnlose Prozesse und Arbeitsschritte wir damals noch als Menschen haben ausführen müssen", sage ich an einer Stelle.
Schön, dass RTL als Massensender das Thema Zukunftsforschung so prominent positioniert. Ich wünsche mir mehr davon - gern mit Kolleg:innen aus der Zukunftsforschung. Im Zweifel vermittle ich sehr gern.
Kai bei "Wirtschaft Hören" der IHK zu Leipzig
Das Heimspiel geht in die nächste Runde: Ich durfte mit dem großartigen Volly Tanner bei "Wirtschaft Hören" der IHK zu Leipzig über Künstliche Intelligenz (KI) und New Work ein paar Eindrücke aus meiner Arbeit als Zukunftsforscher geben:
https://www.secondradio.de/audiothek/player/episode/374
Was heißt KI für die mittelständische Wirtschaft? Ist das wirklich so relevant? Ich denke, ja. Dazu habe ich ja auch ein paar Bücher geschrieben bzw. herausgegeben.
Im Gespräch entkräfte ich ein paar Ängste rund um KI und gebe eher Tipps, wie man mit diesem "Megatrend" umgehen kann. Stichwort Fachkräftemangel, Stichwort repetitive Tätigkeiten. Nein, Roboter übernehmen nicht die Welt - andererseits gibt es keine Unternehmen, die nicht vom Einsatz künstlicher Intelligenz profitieren können.
Im Zwischenspiel gute Musik unter anderem von Kraftclub - schöner Zufall? Verdammter Mike Skinner...
Zu Gast bei Sachsen Fernsehen: Tanner trifft
Eine halbe Stunde Druckbetankung Zukunft bzw. Zukunftsforscher Kai Gondlach - das gab es kürzlich in Sachsen Fernsehen bei Tanner trifft mit dem fantastischen Volker Volly Tanner. Ich stand Rede und Antwort darüber, was ein Zukunftsforscher so in seinem Alltag macht, welche Themen ich besonders wichtig finde und wie ich die Entwicklungen in Sachsen einschätze:
https://www.sachsen-fernsehen.de/mediathek/video/tanner-trifft-folge-99-gondlach/
Das Gespräch wurde auf diversen Kanälen ausgestrahlt, scheinbar auch in den Straßenbahnen - sagte mir ein Freund aus Leipzig. Sehr schön und definitiv eine Wiederholung bzw. Fortsetzung wert!
Edit: Tatsächlich so inzwischen geschehen bei Wirtschaft Hören von der IHK zu Leipzig, auch mit Volly Tanner.
Buch "KI jetzt!" erscheint bald!
Am 25. April erscheint mein neues Buch „KI jetzt!“ im GABAL Verlag, das ich mit KI-Führungskraft (Schwarz IT) Mark Brinkmann geschrieben habe. Es richtet sich an alle, die nicht bei ChatGPT stehen bleiben möchten, sondern mehr über Künstliche Intelligenz wissen möchten – oder müssen. Denn eins steht fest: KI ist gekommen, um zu bleiben.
Im Grußwort schreibt Deepa Gautam-Nigge, Vice President Corporate Development bei SAP SE und Aufsichtsrätin bei Aleph Alpha:
Das vorliegende Buch »KI jetzt!« ist dafür ein erster Atlas und wichtiger Kompass, um sich entlang der wichtigen Routen zu orientieren. Es schafft Verständnis für die Topografie des Geländes: Es liefert in sieben Schritten ein kurzes Grundlagentraining zum KI-Profi. Dazu gibt es mit 22 plastischen Anwendungsfällen die ersten vordefinierten Pfade. Mit diesem Wissen kann man dann die ersten Schritte abseits der beschriebenen Wege wagen, um Neues zu entdecken.
»KI jetzt!« – gehen wir’s an!
In diesem Sinne richtet sich das Buch wirklich an alle Menschen und Organisationen, die mehr KI brauchen: Führungskräfte, Arbeitssuchende, Fachkräfte, Studierende, Senior:innen. Mehr Informationen und Vorbestellung:
Keine Angst vor der Zukunft
Heute durfte ich beim Bundesverband der Vertriebsmanager Grußworte (ca. 20 Minuten) an die Mitglieder richten. Das Thema sollte einerseits um "Angst vor der Zukunft" kreisen, andererseits einen positiven Ausblick in plausible Zukünfte vermitteln. Da das Event online stattfand, habe ich mich gegen die "klassische" Variante mit einer Powerpoint-Präsentation entschieden und stattdessen einen Nachdenktext vorgetragen. Diesen möchte ich nun auch hier veröffentlichen und wünsche viel Spaß & Erkenntnis.
Intro
- Moin. Ich bin ein echter Zukunftsforscher, das heißt, ich habe unter anderem den Masterstudiengang Zukunftsforschung studiert. Ich arbeite seit 11 Jahren daran, aktuelle Trends zu verstehen und Einschätzungen zu möglichen Szenarien zu geben.
- Das tue ich unter anderem als Inhaber des PROFORE Zukunftsinstituts, als Keynote Speaker, Autor und Podcaster.
- Vielleicht fragen sich jetzt einige, ob ich die Zukunft auch vorhersagen kann. Nein, kann ich nicht. Aber ich lag schon oft richtig: Corona habe ich Mitte 2019 angekündigt, fast ein Jahr vor dem Beginn der Pandemie. Den Krieg in der Ukraine habe ich in meinem Podcast Ende 2021 thematisiert, also rund ein Vierteljahr vor dessen Beginn. Mein Whitepaper über Künstliche Intelligenz erschien im Oktober 2022 – zwei Monate vor ChatGPT.
- Damit will ich nicht sagen, dass ich die Zukunft doch irgendwie vorhersehen kann, sondern dass die Methoden der wissenschaftlichen Zukunftsforschung verdammt gut darin sind, kommende Entwicklungen früher als die Allgemeinheit zu erkennen.
- Aber heute wurde ich gebeten, einen Impuls zum Thema „Zukunftsangst“ vorzubereiten. Dafür habe ich keine Präsentation vorbereitet, wie sonst bei Keynotes und anderen Gelegenheiten, sondern ganz old fashioned einen Text für euch geschrieben.
- Und der geht so.
Keine Angst vor der Zukunft
Angst ist eine reale, unmittelbare Emotion.
Der Angst-Teil unseres Gehirns, die Amygdala, hat Vorfahrt vor den meisten anderen neurologischen Vorgängen. Aus evolutionärer Sicht ist Angst überlebenswichtig für jede Spezies, denn sie hält uns oft von dummen Entscheidungen ab und sagt unseren Gliedmaßen eher: „LAUF!“ statt „mal abwarten, ob das Rascheln im Busch ein Tiger oder eine Tüte Popcorn ist“
Angst wird allerdings oft mit Furcht verwechselt: Angst ist der allgemeine Gefühlszustand im Hinblick auf die Zukunft, auf mögliche Ereignisse, die uns oder unseren Liebsten zustoßen könnten. Unser Gehirn simuliert permanent etwa eine Sekunde in die Zukunft, was als nächstes total schiefgehen könnte, weshalb wir in manchen Situationen erstaunlich schnelle Reflexe haben – wenn etwa jemand ein Glas vom Tisch stößt. Das ist dann weniger Angst als aufmerksame Beobachtung mit allen Sinnen.
Furcht wiederum ist die gerichtete Form der Angst: Ich fürchte mich vor Spinnen in meinem Bett, ich fürchte, dass das Glas vom Tisch fällt und ich mich daran schneide; ich fürchte mich vor einem Fahrradunfall auf dem Weg zur Arbeit, ich fürchte, dass die Faschisten in den sächsischen Landtag einziehen und die Demokratie zerstören.
Ich persönlich kenne Angst und Furcht sehr gut. Ich bin Traumapatient seit einer privaten Tragödie vor einigen Jahren; vor fast 3 Jahren habe ich einen schweren Fahrradunfall überlebt; ich habe einen 7 Monate alten Sohn, der letztes Wochenende in der Klinik am Beatmungsgerät hing.
Angst ist allgegenwärtig.
Wir fürchten uns ja auch in der Freizeit wirklich gern: Fällt euch ein Science-Fiction-Film ein, der eine komplette Utopie einer perfekten Welt beschreibt? Ich kenne keinen. Horror und Actionfilme funktionieren nur, wenn wir uns auch gruseln oder fürchten lassen, dass zum Beispiel der Protagonistin etwas zustößt – James Bond hätte nicht funktioniert, wenn der am Ende nicht immer wieder die Welt gerettet hätte.
Angst ist sexy, make Angst great again!
… aber doch bitte nur mit Happy End!
Die deutsche Gesellschaft kennt Angst besser als jede andere, weshalb uns oft die „German Angst“ zugeschrieben wird. Wir haben Angst vor Veränderung, Angst vor dem Statusverlust durch eine diversere Gesellschaft oder hohe Inflation. Wir haben Angst vor Innovationen, die die Erfindungen unserer Vorfahren obsolet machen könnten, Angst, dass uns die Politik das Auto verbietet oder Gender-Sternchen aufzwingt. Wir haben Angst vor Putin, Angst vor Trump, Angst vor Xi Jinping.
Angst ist also nicht einfach nur unser Hobby, Angst ist unsere Berufung.
Dabei ergaben diverse Umfragen selbst während der Corona-Pandemie, dass die Menschen hierzulande meistens Angst vor diffusen Schreckensbildern haben – privat und beruflich schätzt eine überwältigende Mehrheit ihre individuelle Zukunft sehr zuversichtlich ein. Wie passt das zusammen? Sind wir individuell naiv-optimistisch, aber kollektiv krankhaft-paranoid?
Mein Eindruck ist, dass uns gesellschaftlich das Verständnis einer gesunden Angst, die uns zu vernünftigen Entscheidungen leitet, abhandengekommen ist. Angst und Furcht sind keine Phänomene, die es nur in schwarz und weiß gibt, sondern auch in allen Farben dazwischen. Das ist eine zentrale Erkenntnis, wenn man sich Gedanken über die Zukunft machen möchte, die nicht durch Angst verzerrt sind.
[PAUSE]
Ich bin Zukunftsforscher, Soziologe und Politikwissenschaftler. Ich genieße das fabelhafte Privileg, sehr häufig sehr klugen Menschen und mir selbst immer wieder die Frage stellen zu dürfen:
Welche anderen Perspektiven als Angst oder Zweifel können wir auf die Zukünfte richten?
Wir alle befassen uns mehr oder weniger strukturiert mit der Zukunft. Urlaubsplanung, Steuererklärung, Einkaufsliste, Rentenversicherung, Weihnachtsgeschenke. Paradoxerweise findet aber Zukunft für die meisten Menschen in der Regel kaum explizit statt.
Unser Bildungssystem ist ein verheerendes Beispiel dafür: Junge Menschen sollen Gehorsam lernen, sollen das Wiedergeben der Lehrpläne perfektionieren, es geht mehr ums Verwalten des Status Quo als das Erdenken und Gestalten der Zukunft. Und das wird uns gerade gesellschaftlich mit einiger Brutalität zurückgespiegelt.
Denn: Wer nicht nach einer plausibel erreichbaren Zukunft strebt, wird destruktiv oder depressiv. Das gilt für einzelne Personen genauso wie für Gesellschaften. Leider zieht sich dieser eklatante Zukunftsmangel bis in die höchsten politischen Ämter durch.
„Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“, hat Altkanzler Helmut Schmidt einst gesagt und ist damit der geistige Vater der Zukunftslosigkeit ganzer Generationen. Dass er das nicht so gemeint hat, hilft uns leider nicht mehr.
Doch ich möchte eure Zeit bei diesem Neujahrsempfang nicht mit Lamentieren vergeuden, denn Experten für Nörgelei gibt es wahrlich genug. Stattdessen möchte ich euch ab jetzt ausgewählte plausible, erreichbare positive Zukunftsszenarien der nächsten paar Jahrzehnte erzählen. Sie basieren auf den Erkenntnissen der seriösen Zukunftsforschung, sind also technologisch machbar und unter der Annahme wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Interessen konsistent – das heißt, sie widersprechen nicht anderen naturwissenschaftlichen Gesetzen und gängigen Prognosen.
Willkommen im Jahr 2050!
Lasst uns ausschließlich einen Blick auf die guten Errungenschaften werfen.
1. Gesundheit
Seit der Entdeckung der Genschere CRISPR/Cas9 im Jahr 2013 ist es möglich, die genetische Struktur von Lebewesen zu verändern. Und wir wissen ja längst, dass viele Gesellschaftskrankheiten durch bestimmte Kombinationen bzw. Prädispositionen der Gene begünstigt werden. Die gute Nachricht ist also: Im globalen Norden gibt es 2050 kaum noch bekannte Fälle von Diabetes, Alzheimer-Demenz, Parkinson, multipler Sklerose und selbst Krebs tritt nur noch selten auf und verläuft fast nie tödlich!
Künstliche Organe liegen in großen Organdatenbanken bereit für den Fall, dass durch einen Unfall oder eine unvorhergesehene Krankheit die Leber, Lunge oder das Herz ersetzt werden muss. Diese Datenbanken werden von den Krankenkassen verwaltet – die Premiumvariante ist natürlich auch im Jahr 2050 den Superreichen vorbehalten. Sie lassen sich besonders leistungsfähige Organe anfertigen, die nicht nur dann ausgetauscht werden, wenn die erste Version nicht mehr funktioniert. Schönheits-OP 2.0, sozusagen. Nur das Gehirn konnte bislang nicht dupliziert werden, aber das ist vielleicht auch gut so.
Natürlich gibt’s trotzdem noch diverse weniger schlimme Krankheiten; Körper und Geist brauchen auch gelegentliche Erkältungen, zudem entstehen immer neue Viren und Bakterien. Aber auch dagegen gibt’s ein Wundermittel: Mithilfe von Quantencomputern und künstlicher Intelligenz werden für bestimmte Krankheitsbilder seit vielen Jahren individualisierte Arzneimittel hergestellt.
Tatsächlich hat das zwei erstaunliche Entwicklungen begünstigt. Das eine ist, dass Menschen heutzutage sehr viel gesünder altern. Viele Alterskrankheiten und Todesursachen sind schlicht nicht mehr nötig. Heute ist es keine Seltenheit mehr, dass 90-Jährige einen Marathon laufen oder als Nachhilfelehrer ihre Rente aufbessern. Das zweite ist, dass einige wenige Menschen weit über 100 Jahre alt werden. Das liegt daran, dass nicht nur die Krankheiten heilbar wurden, die sonst den Tod bedeutet haben, sondern auch erste Mittel zugelassen wurden, die den Alterungsprozess einfrieren oder sogar umkehren! Der älteste Mensch ist im Jahr 2050 stolze 140 Jahre alt und auf dem körperlichen und mentalen Stand wie ein 50-Jähriger. Das verleiht einigen gesellschaftlichen Konzepten eine völlig neue Bedeutung: Was kostet eine Lebensversicherung? Wann gehen wir in Rente? Wie lange muss ich zur Schule gehen, wenn ich danach noch über 100 Jahre arbeiten werde? Wer heiratet noch, wenn „bis dass der Tod uns scheidet“ kein Ablaufdatum mehr hat? Brauchen wir ein Enddatum, zu dem das Leben enden soll?
2. Mobilität
Das Wichtigste vorweg: Ja, es gibt Flugtaxis. Gab es ja zu eurer Zeit auch schon, zumindest in Dubai und einigen anderen Orten der Welt. Auch in Deutschland sind sie inzwischen angekommen und entlasten den Verkehr auf den Autobahnen und in Ballungsgebieten zunehmend. Der größte Vorteil ist gar nicht unbedingt die individuelle Mobilität, sondern dass man dafür kaum Infrastruktur braucht. Immerhin gab es zu eurer Zeit rund 600 stillgelegte Kleinflughäfen, die inzwischen als Mobility Hubs genutzt werden.
Aber natürlich besitzt man kein Flugtaxi für den Privatgebrauch, sondern man mietet sich eins – einen Flugschein braucht man dafür nicht, weil es komplett autonom von A nach B steuert. Keine Angst: Es herrscht kein Chaos am Himmel, denn wie es sich für Deutschland gehört, sind die erlaubten Korridore recht eingeschränkt.
Aber überhaupt ist der Privatbesitz eines Fahrzeugs, das kein Fahrrad ist, im Jahr 2050 eher eine Seltenheit. Es ist seit Jahren viel einfacher und günstiger, ein Fahrzeug für den aktuellen Nutzungszweck zu mieten, als mehrere Tonnen Metall zu kaufen, zu versichern und für dessen Unterhalt zu sorgen. Sehr merkwürdiges Konzept, das ihr zu eurer Zeit noch „normal“ nennt. Selbstfahrende Autos, wie ihr sie euch vorstellt, gibt es trotzdem in der Form noch sehr wenig – das liegt daran, dass die Städte dafür einfach nicht geeignet sind. Außerorts ist das natürlich was anderes.
Derweil ist das Streckennetz im Schienenverkehr deutlich gewachsen, sodass die überregionale Bahnmobilität deutlich angenehmer wurde. 100 Prozent Pünktlichkeit bekommen wir trotzdem noch nicht hin, das ist weiterhin Zukunftsmusik 😉
3. Künstliche Intelligenz
KI ist im Jahr 2050 so normal und allgegenwärtig wie zu eurer Zeit die Verwendung von Smartphones. Im Arbeitsalltag heißt das: Die meisten Erwerbstätigen haben einen KI-Kollegen, der sie bei fachlichen Fragen, bei der Einhaltung des Freizeitausgleichs und für sämtliche Korrespondenz unterstützt. Das heißt auch, dass alle jetzt einen persönlichen Coach zur Stelle haben, mit dem sie konzeptionelle Fragen durchspielen oder die Selbstverwirklichung vorantreiben können. Ähnlich wie die Sozialabgaben werden die Kosten für diese KIs über einen kleinen Gemeinwohlbeitrag vom Bruttolohn abgezogen.
Es gibt keine Unternehmen und öffentliche Einrichtungen mehr, in denen KI nicht Standard ist. Alle Organisationen, die sich zu eurer Zeit nicht mit KI beschäftigt haben, gibt es schlicht nicht mehr. In einer Übergangszeit waren also einige Menschen arbeitslos, haben sich aber dann mit den Möglichkeiten von KI befasst und dann eine neue Existenz aufgebaut. Eine 40-Stunden-Woche gibt es längst nicht mehr, klar arbeiten einige so viel oder auch mehr, aber nicht mehr nur in einem Job. Die meisten haben nämlich auch ein zweites Standbein in Form einer freiberuflichen Arbeit oder eines Kleingewerbes, mit dem sie ihren Traum verwirklichen und dabei trotzdem noch gutes Geld verdienen. Ob das nun ein Job im Metaverse oder eine eigene Gärtnerei ist, spielt dabei keine Rolle.
Eine der markantesten Entwicklungen ist die Verschmelzung von KI und Mensch. Es gibt einige wenige, die sich tatsächlich kleine Computerchips direkt ins Gehirn transplantieren lassen, um unmittelbar per Gedankenkraft mit der KI kommunizieren zu können.
Wäre das was für euch?
4. Nachhaltigkeit
Zwar sind viele Prognosen aus eurer Zeit in Bezug auf den Klimawandel leider eingetreten, doch vieles hat sich auch zum Guten gewendet. Durch massive Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft und der Zivilgesellschaft hat sich die Biodiversität nahezu erholt. Das hatte auch damit zu tun, dass seit etwa 2030 die Massentierhaltung verboten wurde – einer der wichtigsten Emittenten von Treibhausgasen. Es gibt zwar noch Fleisch von echten, toten Tieren im Handel, doch das ist sehr teuer. Stattdessen wird es für 95 Prozent des Verbrauchs künstlich hergestellt und zwar genau dort, wo es auch verbraucht wird: Im Supermarkt, Restaurant, der Kantine, im Zug oder Flugzeug. Das ist übrigens auch viel gesünder für die Menschen, hat aber trotzdem eine Weile gedauert, bis sich die Ernährungskultur darauf eingestellt hat. Die Technologie dahinter war zu eurer Zeit längst erforscht, doch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit brauchte noch ein paar Jahre. Irgendwann fand es dann die Mehrheit der Gesellschaft barbarisch, lebendige Tiere zu schlachten, um ein leckeres Steak zu essen – und das kommt schneller als einige von euch heute vielleicht noch denken.
Stichwort Wettbewerbsfähigkeit: Wir haben ein Energieproblem im Jahr 2050, aber nicht das, was ihr jetzt denkt… wir haben nicht zu wenig, sondern ZU VIEL ENERGIE! Das liegt daran, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien aus Wind, Sonne und Wasser so rasend schnell ging, dass Haushalte und Gewerbeimmobilien sich inzwischen fast komplett selbst versorgen können. Dazu kommen aber noch zwei weitere, disruptive Faktoren: Erstens ist die Kernfusion, die ja seit 2022 erwiesenermaßen funktioniert, seit ein paar Jahren auch kommerziell interessant geworden. Deshalb haben die meisten Staaten Kernfusionsreaktoren, die nahezu unendlich viel Energie erzeugen können. Zweitens haben wir aber auch riesige Photovoltaikanlagen im Weltall, die Sonnenenergie direkt dort oben einsammeln und per Mikrowelle an Stationen auf der ganzen Welt und dem Mond senden – wir dürfen ja nicht unsere Mitmenschen auf Mond und Mars vergessen, die haben ja auch Bedürfnisse. Das heißt also: Wir haben Energie im Überfluss und „müssen“ uns immer wieder neu überlegen, wie wir noch mehr Strom verbrauchen können, damit die Energienetze nicht überlasten. Für die Großindustrie ist das natürlich etwas anders, aber mit dem vielen Strom gibt es seit wenigen Jahren ein globales Netz für grünen Wasserstoff und das funktioniert erstaunlich gut.
Ach ja, Müll gibt’s auch nicht mehr. Seit den 2030er Jahren ist es weltweit vorgeschrieben, dass Unternehmen für das Recycling und Upcycling ihrer Produkte verantwortlich sind. Das hat komplett den Anreiz zerstört, möglichst schnell möglichst viele Produkte herzustellen, die irgendwo auf der Welt gekauft, benutzt und entsorgt werden. Stattdessen leben wir inzwischen in einer echten Kreislaufwirtschaft, in der alle Gegenstände und selbst defekte Geräte als Rohstoff wieder aufgewertet werden können und müssen. Das Paradigma hat sich entsprechend von schnellem Konsum bzw. schnellen Gewinnen gewandelt zu hochwertigen, langlebigen und problemlösenden Erzeugnissen. Dadurch sind auch viele Länder des globalen Südens immer schneller wirtschaftlich vorangekommen – seit das Energieproblem kein Problem mehr ist, haben sich die Währungen stabilisiert, Inflation ist überall moderat und es entstand vielerorts eine kreative, sehr facettenreiche neue Ökonomie. Das Zeitalter des Turbokapitalismus wurde abgelöst von einer für alle Lebewesen und Ökosysteme gewinnbringenden Form des Postkapitalismus. Ich meine nicht die Hippie- oder Trotzki-Version, sondern einen Kapitalismus, der andere Währungen kennt als Geld, nämlich das Gemeinwohl von Menschen überall auf dem Planeten und der Natur.
Zurück ins Jahr 2024.
Ich wette, dass diese Ausführungen einigen von euch im wahrsten Sinne fantastisch vorkommen – also basierend auf Fantasie. Doch hinter jedem einzelnen stecken nennenswerte Stränge in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Dieses Jahr erscheinen unter anderem drei Sammelbände von mir, die einige der genannten Themen unterfüttern – und ein Handbuch für KI in Unternehmen namens „KI jetzt!“.
Nach vielen Jahren und hunderten Mandaten im Kontext der seriösen Zukunftsforschung bin ich überzeugt: Wir sollten öfter über unsere positiven Zukunftsbilder sprechen. Und auch darüber streiten. Denn es ist ja offensichtlich, dass mein Blick in die Zukunft ein anderer ist als der meiner Nachbarin oder eines Kindes, das gerade in Lagos aufwächst. Doch wir werden uns und unsere Welt nicht retten, wenn wir nur über die Schattenseiten sprechen. Lasst uns häufiger und strukturierter über schöne Zukünfte sprechen.
Dann klappt’s auch mit der Angst, das verspreche ich euch.
Vielen Dank fürs Zuhören!
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