Selbst entwickeln, einkaufen oder kooperieren? Mittelständische Unternehmen stehen bei KI-Projekten vor der entscheidenden Frage: Make, Buy oder Partner? Baue ich eine KI-Lösung inhouse auf, kaufe ich eine fertige Software ein oder spanne ich einen Partner (z. B. ein Start-up oder Konsortialprojekt) ein? Diese Weichenstellung ist komplex – und bei KI sogar schwieriger als bei klassischer Software, wie wir in „KI jetzt!“ betonen: „Diese ‚Make, buy or partner‘-Entscheidung wird beim KI-Produkt leider deutlich komplizierter.“ (KI jetzt!, S. 98).

In diesem Beitrag führen wir durch die Entscheidungsfindung. Welche Kriterien sollten den Business Case KI leiten? Wie kalkuliert man den ROI eines KI-Projekts realistisch? Und welche Vor- und Nachteile haben Eigenentwicklung, Zukauf oder Partnerschaft konkret? Sie erhalten Checklisten (angelehnt an „KI jetzt!“ S. 99) und erfahren aktuelle Beispiele – etwa Siemens Industrial Copilot (eine KI-Co-Creation mit Microsoft) und Erkenntnisse aus einer McKinsey-Studie, warum viele KI-Investitionen noch keine großen Renditen abwerfen. Am Ende wissen Sie, wie Sie Ihre KI-Produktstrategie fundiert aufsetzen: selbst bauen – aber richtig, oder eben bewusst zukaufen oder kooperieren.

 

Make, Buy oder Partner – warum ist die Entscheidung bei KI so schwierig?

In der klassischen IT ist der Entscheidungsprozess oftmals klarer: Standardsoftware (z. B. ERP aus Walldorf) kaufen viele Mittelständler lieber ein, statt eigene Lösungen zu programmieren – zu teuer und langwierig wäre die Eigenentwicklung. Bei KI jedoch greift diese Logik zu kurz:

  • KI ist neu und wandelbar: Viele KI-Produkte – speziell generative KI – sind noch jung und entwickeln sich rasant weiter. Was heute am Markt erhältlich ist, kann in wenigen Monaten überholt sein. Standard-KI-Lösungen großer Anbieter wirken manchmal unausgereift oder erfüllen den spezifischen Zweck nicht vollständig. Für spezielle Anforderungen gibt es oft (noch) keine passgenaue Kaufsoftware.
  • Individualität vs. Skaleneffekt: KI-Anwendungen, die direkt Ihren kritischen Geschäftsprozessen dienen (z. B. eine KI, die Ihre firmenspezifischen Produktionsdaten auswertet), müssen maßgeschneidert sein, um echten Mehrwert zu liefern. „Individuelle KI-Lösungen [sind] fast unumgänglich“ für solche Kernprozesse, heißt es in „KI jetzt!“ (S. 98). Ein zugekauftes generisches Tool deckt womöglich nur 60% Ihrer Anforderungen ab – der Rest müsste angepasst werden. Hier kann Make sinnvoller sein. Andererseits: Nicht jede KI-Anwendung ist so einzigartig. Generische Use Cases (wie Sprachassistenz für E-Mails) werden rasch als Features in Standardsoftware integriert. Diese selbst zu entwickeln lohnt kaum.
  • Neue Make-Optionen durch Open Source: Im KI-Bereich existiert eine starke Open-Source-Community. Das bedeutet, ein Mittelständler kann heute auf offene KI-Modelle zugreifen und sie mit eigenem Know-how feinjustieren, ohne bei null anzufangen. Dadurch wird Eigenbau attraktiver, denn man muss kein komplettes Modell mehr selbst entwickeln, sondern nur anpassen (Feintraining, „Small Models“ für spezielle Aufgaben etc.). „Hier lohnt sich auch ein Blick in die Open-Source-Welt!“ erinnert eine Checkliste in KI jetzt! (S. 99) – ein Hinweis, dass „Buy“ manchmal durch „Use Open Source & Make“ ersetzt werden kann.
  • Fachkräfte und Kosten: KI selber bauen erfordert Talent – Data Scientists, ML-Engineers – die rar und teuer sind. Buy umgeht das zunächst, aber: Gekaufte Lösungen erfordern trotzdem internes Know-how für Integration und Betrieb. Fehlt KI-Kompetenz im Haus, ist auch der Einsatz eines Einkaufs-Produkts riskant (niemand kann es richtig beurteilen). Partnerschaften wiederum können Know-how-Sharing bringen, aber hier muss man Gewinne teilen und Kompromisse eingehen.

Zusammengefasst ist die Make-Buy-Entscheidung bei KI eine strategische Abwägung zwischen Unabhängigkeit und Einmalaufwand (Make), Schnelligkeit und geringerem Entwicklungsaufwand (Buy) und Risikoteilung und Synergien (Partner). Und sie hängt stark vom Einzelfall ab.

 

Checkliste: Make, Buy oder Partner – die Schlüsselfragen

Anstatt aus dem Bauch zu entscheiden, sollten Sie systematisch Kriterien prüfen. Bauen wir auf der Checkliste von „KI jetzt!“ auf und erläutern die wichtigsten Entscheidungsfaktoren:

  • Skaleneffekt: Haben wir durch das KI-Produkt einen Skaleneffekt? (ja = eher selbst machen; nein = zukaufen; kaum = im Netzwerk entwickeln) – Diese Frage aus KI jetzt! (S. 99) zielt darauf ab: Wenn Ihre KI-Lösung einen Wettbewerbsvorteil bietet, der mit steigender Nutzung wächst (Skaleneffekt), dann lohnt sich die Investition in Eigenentwicklung eher. Beispiel: Ein KI-Produkt, das Sie später auch an Kunden verkaufen können (neues Geschäftsmodell), würde Ihnen Lizenzeinnahmen bringen – hier kann Make sinnvoll sein, um Eigentümer der Lösung zu sein. Kein Skaleneffekt heißt: es ist ein interner Use Case ohne weiteres Umsatzpotenzial – dann lieber auf bestehende Lösungen setzen.
  • Wirtschaftlichkeit & ROI: Wann rentiert sich die Investitionen? Erstellen Sie einen Business Case. Eigenentwicklung verursacht hohe Anfangskosten (Personal, Infrastruktur, Entwicklungszeit) und laufende Kosten (Wartung, Strom für GPU-Server etc.). Demgegenüber stehen erwartete Einsparungen oder Zusatzgewinne. Zukauf hat meist kalkulierbare laufende Kosten (Lizenzen/Abos), aber eventuell weniger individuell erzielbaren Nutzen. McKinsey fand heraus, dass zwar ~80% der Unternehmen mittlerweile KI einsetzen, aber ähnlich viele noch keinen signifikanten finanziellen Nutzen daraus ziehen [1]. Dieses „GenAI-Paradoxon“ zeigt: Man darf den ROI nicht überschätzen. Planen Sie konservativ: Rechnet sich Ihre KI-Lösung auch im Worst-Case (doppelte Entwicklungszeit, halber Nutzen)? Wenn nein, lieber kleiner starten oder zukaufen.
  • Kapital und Förderung: Haben wir das Investitionskapital? Gibt es Fördermittel oder Venture Capital? (KI jetzt!, S. 99) – Im Mittelstand ist Budget begrenzt. Prüfen Sie öffentliche Förderprogramme für KI (Bund/Länder bieten Zuschüsse). Falls Sie ein KI-Produkt mit Marktpotenzial entwickeln, ziehen Sie auch Partnerschaften in Betracht, um Kosten zu teilen. Beispiel: Mehrere Firmen einer Branche (z. B. in einer Innung) tun sich zusammen, um gemeinsam eine KI-Lösung entwickeln zu lassen – so teilen sich Aufwand und Risiko. Dieser Partner-Weg vermindert individuelle Kosten, aber man gibt auch Kontrolle ab.
  • Effizienz- oder Erlössteigerung: Steigert es die Effizienz oder erhöht es die Erlöse? – Ist der primäre Nutzen Kostensenkung (Effizienz) oder Umsatzwachstum (neues Produkt)? Effizienz-KI (z. B. Prozessoptimierung) lässt sich intern nach Implementierung sofort nutzen – falls Standardsoftware das kann, ist Buy oft ausreichend. KI für neue Erlöse (z. B. ein KI-basiertes Kundenfeature) kann zum Wettbewerbsvorteil werden – hier ist Make oder Partner mit Start-up ggf. besser, um etwas Einzigartiges zu schaffen.
  • Verfügbarkeit von Fachkräften: Haben wir die Fachkräfte dafür? Welche brauchen wir perspektivisch? Ehrliche Bestandsaufnahme: Gibt es in Ihrem Team genug KI-Know-how? Ein Eigenbau ist ohne erfahrene ML-Entwickler riskant; schlechte Modelle oder endlose Experimente drohen. Können Sie die nötigen Talente einstellen oder weiterbilden? Wenn nein, spricht das für Buy oder Partner, um externes Know-how einzubinden. Überlegen Sie langfristig. KI ist kein einmaliges Projekt – es wird Kerntechnologie. Ein gewisser interner Aufbau von KI-Kompetenzen ist strategisch ratsam, selbst wenn Sie zukaufen (um externe Lösungen bewerten und anpassen zu können).
  • Rechtliche und regulatorische Vorgaben: Dürfen wir das überhaupt? (Gesetze, Datenschutz, EU AI Act, Betriebsrat, Gewerkschaft) – Dieser Punkt der Checkliste (KI jetzt!, S. 99) mahnt, die Compliance nicht zu vergessen. Beispielsweise: Wenn Sie sensible Gesundheitsdaten nutzen, gelten strenge Datenschutzregeln – eine Eigenentwicklung erfordert, dass Sie entsprechende Sicherheitsmaßnahmen einbauen (Verschlüsselung, Anonymisierung). Vielleicht hat ein großer Softwareanbieter hier schon zertifizierte Lösungen – dann ist Buy im Vorteil (Vermeidung von Haftungsrisiken). Auch interne Regularien (Betriebsrat bei Überwachung durch KI etc.) sind hier relevant. Hier zeigt sich: Make bedeutet auch, Verantwortung für ethische und rechtliche Aspekte voll zu tragen. Bei Buy können Sie Verantwortung teilweise an den Anbieter delegieren (aber auch der bleibt nicht 100% haftbar für Ihr Tun).
  • Existiert schon eine (Basis-)Lösung? Sind wir sicher, dass noch niemand eine geeignete Basislösung entwickelt hat, die wir anpassen können? (Hier lohnt sich ein Blick in die Open-Source-Welt!). Diese Frage ist entscheidend. Nicht jede KI-Idee ist neu. Vielleicht gibt es auf GitHub ein Open-Source-Modell oder eine Library, die 80% Ihres Problems löst. Beispiele: Für Sprach-KI gibt es vortrainierte Modelle (z. B. GPT-3/GPT-4 via API, oder Open-Source wie Llama 3.1). Für Bilderkennung existieren vortrainierte CNNs. Anstatt bei Null anzufangen, können Sie prüfen: Können wir eine vorhandene Lösung lizenzieren oder open-source nutzen und mit Anpassungen ans Ziel kommen? Das wäre quasi ein Mittelweg: Buy (bzw. Free) und Makekombinieren. Viele erfolgreiche KI-Produkte basieren auf solchen Pretrained Models, die mit eigenen Daten feinjustiert werden – das spart Zeit und Kosten enorm.

Diese Checkliste soll deutlich machen: Es gibt keine pauschale Antwort. Jedes Kriterium hat Gewicht. Oft ergibt sich aber ein Trend. Zum Beispiel:

  • Wenn der Skaleneffekt hoch ist, ROI vielversprechend, Know-how vorhanden – dann Make (Eigenentwicklung) bevorzugen, um Eigentum am wertschöpfenden KI-Produkt zu sichern.
  • Wenn schneller Effizienzgewinn benötigt, Markt bietet Lösungen, interne KI-Kenntnisse gering – dann eher Buy (Einkauf bestehender KI-Software oder Nutzung von KI-APIs).
  • Wenn Idee gut, aber Ressourcen knapp und Risiken hoch – dann Partner: Kooperationsprojekt, Joint Venture oder Entwicklung mit Technologie-Partner, um Last und Nutzen zu teilen.

 

Praxisbeispiel 1: Siemens Industrial Copilot – KI-Partnerschaft mit Tech-Riese

Ein praktisches Beispiel für den Partner-Ansatz liefert Siemens. Der deutsche Industriekonzern hat 2024 gemeinsam mit Microsoft den Siemens Industrial Copilot vorgestellt [2]. Dabei handelt es sich um einen generativen KI-Assistenten für die Industrie, der Ingenieuren hilft, Automatisierungscode zu erstellen und zu optimieren. Siemens bringt hier seine Domänenexpertise (z. B. im Anlagenbau) ein, Microsoft die Cloud-und KI-Plattform (Azure, OpenAI Services).

Diese Kooperation zeigt: Statt alles selbst zu entwickeln, hat Siemens erkannt, dass eine Partnerschaft schneller zum Ziel führt. Der Industrial Copilot nutzt die generative KI von Microsoft (ähnlich GPT-4) und verbindet sie mit Siemens spezifischem Know-how in Automatisierungssoftware (TIA Portal). Ergebnis: Nutzer können in ihrer Sprache komplizierten SPS-Code generieren und debuggen lassen, was Entwicklungszeit spart.

Siemens hätte so einen generativen KI-Service allein kaum in gleicher Zeit stemmen können – schließlich sind die großen Sprachmodelle extrem aufwendig (OpenAI’s GPT-3 hatte 175 Mrd. Parameter, Training kostete Millionen). Durch die Allianz erhielt Siemens Zugang zu einem leistungsfähigen KI-Modell und konnte sich auf die Integration ins eigene Produkt konzentrieren. Gleichzeitig profitiert Microsoft vom Industrie-Know-how und einer Referenz im wichtigen B2B-Sektor.

Erkenntnis: Partnering mit einem Tech-Riesen kann sinnvoll sein, wenn man selbst nicht alle Bausteine hat. Allerdings braucht es Augenhöhe: Vertragsgestaltung und Datenschutz sind kritisch (gerade deutsche Unternehmen achten darauf, dass ihre Daten in so einer Partnerschaft geschützt bleiben). Im Fall Siemens/Microsoft wird der Industrial Copilot über Azure angeboten – Vertrauen ist hier essenziell. Siemens spricht von „industrietauglichen Standards“ und betont, dass der Copilot über die gesamte Wertschöpfungskette hilft [3]. Für Mittelständler könnte analog eine Partnerschaft mit spezialisierten KI-Dienstleistern oder Forschungsinstituten ratsam sein, um state-of-the-art KI zu nutzen, ohne alles allein aufzubauen.

 

Praxisbeispiel 2: KI selbst entwickeln – die Tücken des „Make“

Stellen wir uns ein mittelständisches Unternehmen vor, das eine KI-gestützte Prognosesoftware für seinen Vertrieb entwickeln will – um Absatzmengen besser vorherzusagen. Der Geschäftsführer entscheidet: „Das machen wir selbst!“ Er stellt zwei Data Scientists ein, kauft Hardware – und nach einem Jahr gibt es einen Prototyp. Doch im Echtbetrieb liefert das Modell nur marginal bessere Prognosen als die bisherige manuelle Planung. Woran kann es liegen?

Typische Stolpersteine bei Make:

  • Daten, Daten, Daten: Ohne umfangreiche, hochwertige Daten hilft der beste Data Scientist nichts. Vielleicht waren historische Vertriebsdaten unvollständig oder zu wenige. Die Autoren warnen: Ohne qualitativ hochwertige Daten bleibt jede KI blind. Unser Beispielunternehmen hätte ggf. zuerst eine saubere Datenbasis schaffen müssen, bevor KI Sinn ergibt. Alternativ hätte eine zugekaufte Lösung auf Branchen-Benchmarks zurückgreifen können.
  • Produktdenken vs. Projektdenken: Ein KI-Produkt ist nie „fertig“. Oft fehlt Unternehmen die Erfahrung im Software-Produktmanagement. Im Beispiel könnte man früh bemerken, dass das Modell öfter falsch liegt, weil externe Faktoren (Wetter, Konkurrenzaktionen) fehlen. Das KI-Team bräuchte also permanentes Feedback vom Vertrieb (domänenspezifisches Wissen) – doch die interne Kommunikation hakt. Ein externer Anbieter hätte vielleicht ein ausgereifteres Produkt gehabt, weil er das Feedback vieler Kunden bündelt.
  • Kostenexplosion: Eigenentwicklungen dauern oft länger als geplant. Im Beispiel wollen die Data Scientists vielleicht noch komplexere Modelle ausprobieren – die Entwicklungszeit verdoppelt sich. Der ROI verschiebt sich nach hinten. Viele KI-Projekte bleiben hinter den Erwartungen zurück, nicht zuletzt, weil Business Value und Machbarkeit anfangs falsch eingeschätzt wurden. Ein Zukauf hätte zwar Lizenzkosten verursacht, aber vielleicht ab dem ersten Monat Nutzen gebracht.
  • Talentrückgang: Was, wenn einer der beiden Data Scientists kündigt? Plötzlich steht das Unternehmen da – kein anderer kennt den Code. Diese Single-Point-of-Failure-Risiken sind real. Eigenentwicklung erfordert auch, ein Team längerfristig zu halten und weiterzubilden.

Natürlich kann Make gelingen – viele Mittelständler haben erstaunliche KI-Tools selbst gebaut, gerade wenn sie Nischen-Know-how besitzen. Der Schlüssel ist, realistisch zu planen: Haben wir genug Daten? Können wir notfalls extern beraten lassen? Planen wir Iterationen ein (statt perfektes Endprodukt sofort)? Und: Was ist Plan B, falls unser Weg nicht funktioniert? – Den haben die Wenigsten. Ein Exit-Kriterium (z. B. „wenn nach 1 Jahr kein brauchbares Ergebnis, dann Wechsel zu Buy“) ist sinnvoll.

 

Praxisbeispiel 3: Mischform – Zukauf und Feintuning

Ein alternativer Ansatz, der in der Praxis oft erfolgreich ist: Erst kaufen, dann anpassen. Beispiel: Ein Unternehmen will eine KI zur Bilderkennung in der Qualitätssicherung einsetzen (Fehlererkennung auf Produktfotos). Statt von Grund auf zu starten, lizenziert man eine bestehende KI-Software (oder nutzt einen Cloud-Service). Diese Lösung funktioniert „out of the box“ vielleicht zu 80%. Die restlichen 20% verbessert man, indem man das Modell mit eigenen Bildern weitertrainiert (Transfer Learning) und die Software über APIs in die eigenen Prozesse integriert.

So hat man eine Art Hybrid: Teile sind zugekauft (man spart Entwicklungszeit), aber der Feinschliff erfolgt intern – was unternehmensspezifisches Know-how einbringt. Viele Cloud-Anbieter ermöglichen inzwischen Custom AI: z. B. bietet OpenAI die Möglichkeit, GPT-Modelle auf eigene Daten zu feintunen (gegen Gebühr), oder Google Vertex AI hat vortrainierte Vision-Modelle, die man mit eigenem Bildmaterial veredeln kann. Der Vorteil: Sie müssen kein eigenes KI-Modell „erfinden“, sondern nur noch Ihr Fachwissen einspeisen. So entstehen „Small Models“ – kleine spezialisierter KI-Modelle – mit relativ überschaubarem Aufwand, die genau Ihre Anforderungen treffen.

Diese Mischform beantwortet Make vs. Buy mit „Both“. Wichtig ist hier, auf offene Schnittstellen und Rechte zu achten: Können Sie das zugekaufte Modell wirklich modifizieren? Dürfen Sie die Ergebnisse uneingeschränkt nutzen? Cloud-Anbieter haben teils Einschränkungen (z. B. dürfen KI-Modelle nicht für bestimmte sensible Anwendungen genutzt werden). Prüfen Sie das vertraglich.

 

Die Make-Buy-Entscheidung strategisch verankern

Unsere Beispiele zeigen: Ob Make, Buy oder Partner – es gibt kein Patentrezept. Umso wichtiger ist, diese Entscheidung systematisch und nicht fallweise zufällig zu treffen. In Ihrem Unternehmen sollte es einen klaren Prozess dafür geben, idealerweise im Rahmen Ihrer KI-Strategie oder Innovationssteuerung:

  1. Bedarf identifizieren: Fachabteilung meldet Bedürfnis (Problem, das KI lösen könnte).
  2. Machbarkeits-Check: KI-Experten prüfen, ob grundsätzlich KI geeignet ist („KI oder nicht KI?“ – manchmal lässt sich ein Problem auch ohne KI lösen, siehe KI jetzt!, S. 97).
  3. Marktsichtung: Gibt es bestehende Lösungen? Kurzanalyse von verfügbaren Tools, Open-Source-Modellen etc.
  4. Make-Buy-Workshop: Relevant Stakeholder (Fachbereich, IT, evtl. Einkauf, Datenschutz) bewerten anhand der oben genannten Kriterien (Skaleneffekt, ROI, Know-how, etc.). Auch Risiken bewerten: Ein Risiko z. B. bei Buy könnte Abhängigkeit von einem Anbieter sein (-> Lock-in), bei Make das Technologierisiko, bei Partner das Teilen von sensiblen Daten.
  5. Entscheidungsvorlage: Management trifft auf Basis dieser Analyse die Entscheidung. Dokumentieren Sie die Gründe für Nachvollziehbarkeit.
  6. Umsetzung: Bei Buy – Lieferantenauswahl und Pilot mit externer Lösung. Bei Make – Ressourcen planen (Team, Infrastruktur, evtl. externe Unterstützung). Bei Partner – MoU oder Vertrag schließen, Projektstruktur definieren.

Bleiben Sie flexibel! Die KI-Welt ändert sich schnell. Was heute noch nicht am Markt ist, kann in einem Jahr kaufbar sein. „Wer jetzt denkt: ‚Ach, gut, dann warten wir ein paar Jahre ab‘, irrt.“ (KI jetzt!, S. 119). Zu warten und nichts zu tun, wäre die schlechteste Option. Aber genauso kann blinder Aktionismus schaden. Fahren Sie mehrgleisig: Kleine Experimente selbst machen, parallel den Markt beobachten. So bleiben Sie handlungsfähig.

 

Fazit: Den richtigen Weg finden

Die Entscheidung Make, Buy oder Partner für KI-Produkte ist im Mittelstand eine der strategisch wichtigsten Weichen auf dem Weg zur KI-getriebenen Organisation. Sie hängt ab von Ihren Zielen, Ihren Fähigkeiten und dem Umfeld. Gehen Sie die Entscheidung strukturiert an und scheuen Sie sich nicht, auch einmal den Kurs zu wechseln, falls sich Annahmen ändern.

Nutzen Sie die aktuelle Dynamik: Partnerschaften sind en vogue (siehe Siemens), Open-Source-Modelle geben Ihnen Starthilfe beim selbst bauen, und Technologieriesen bieten KI-Dienste, die Sie integrieren können. Vielleicht lautet Ihre Devise: Erst einmal Buy/Partner, um KI-Erfahrung zu sammeln, und mittel- bis langfristig Make, wenn Sie genügend Expertise aufgebaut haben.

Egal wie Sie sich entscheiden – wichtig ist, dass Sie entscheiden und ins Handeln kommen. Denn Nichtstun wäre die einzige falsche Option. Der Mittelstand hat alle Chancen, KI innovativ zu nutzen. Treffen Sie klug die Make-Buy-Partner-Wahl und legen Sie los: Ihr KI-Produkt der Zukunft wartet!

 

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[1] https://www.mckinsey.com/capabilities/quantumblack/our-insights/seizing-the-agentic-ai-advantage

[2] https://www.siemens.com/global/en/company/insights/unlocking-the-power-of-generative-ai-siemens-industrial-copilot.html

[3] https://press.siemens.com/global/en/pressrelease/siemens-expands-industrial-copilot-new-generative-ai-powered-maintenance-offering