Keine Angst vor der Zukunft

Heute durfte ich beim Bundesverband der Vertriebsmanager Grußworte (ca. 20 Minuten) an die Mitglieder richten. Das Thema sollte einerseits um "Angst vor der Zukunft" kreisen, andererseits einen positiven Ausblick in plausible Zukünfte vermitteln. Da das Event online stattfand, habe ich mich gegen die "klassische" Variante mit einer Powerpoint-Präsentation entschieden und stattdessen einen Nachdenktext vorgetragen. Diesen möchte ich nun auch hier veröffentlichen und wünsche viel Spaß & Erkenntnis.

Intro

  • Moin. Ich bin ein echter Zukunftsforscher, das heißt, ich habe unter anderem den Masterstudiengang Zukunftsforschung studiert. Ich arbeite seit 11 Jahren daran, aktuelle Trends zu verstehen und Einschätzungen zu möglichen Szenarien zu geben.
  • Das tue ich unter anderem als Inhaber des PROFORE Zukunftsinstituts, als Keynote Speaker, Autor und Podcaster.
  • Vielleicht fragen sich jetzt einige, ob ich die Zukunft auch vorhersagen kann. Nein, kann ich nicht. Aber ich lag schon oft richtig: Corona habe ich Mitte 2019 angekündigt, fast ein Jahr vor dem Beginn der Pandemie. Den Krieg in der Ukraine habe ich in meinem Podcast Ende 2021 thematisiert, also rund ein Vierteljahr vor dessen Beginn. Mein Whitepaper über Künstliche Intelligenz erschien im Oktober 2022 – zwei Monate vor ChatGPT.
  • Damit will ich nicht sagen, dass ich die Zukunft doch irgendwie vorhersehen kann, sondern dass die Methoden der wissenschaftlichen Zukunftsforschung verdammt gut darin sind, kommende Entwicklungen früher als die Allgemeinheit zu erkennen.
  • Aber heute wurde ich gebeten, einen Impuls zum Thema „Zukunftsangst“ vorzubereiten. Dafür habe ich keine Präsentation vorbereitet, wie sonst bei Keynotes und anderen Gelegenheiten, sondern ganz old fashioned einen Text für euch geschrieben.
  • Und der geht so.

Keine Angst vor der Zukunft

Angst ist eine reale, unmittelbare Emotion.

Der Angst-Teil unseres Gehirns, die Amygdala, hat Vorfahrt vor den meisten anderen neurologischen Vorgängen. Aus evolutionärer Sicht ist Angst überlebenswichtig für jede Spezies, denn sie hält uns oft von dummen Entscheidungen ab und sagt unseren Gliedmaßen eher: „LAUF!“ statt „mal abwarten, ob das Rascheln im Busch ein Tiger oder eine Tüte Popcorn ist“

Angst wird allerdings oft mit Furcht verwechselt: Angst ist der allgemeine Gefühlszustand im Hinblick auf die Zukunft, auf mögliche Ereignisse, die uns oder unseren Liebsten zustoßen könnten. Unser Gehirn simuliert permanent etwa eine Sekunde in die Zukunft, was als nächstes total schiefgehen könnte, weshalb wir in manchen Situationen erstaunlich schnelle Reflexe haben – wenn etwa jemand ein Glas vom Tisch stößt. Das ist dann weniger Angst als aufmerksame Beobachtung mit allen Sinnen.

Furcht wiederum ist die gerichtete Form der Angst: Ich fürchte mich vor Spinnen in meinem Bett, ich fürchte, dass das Glas vom Tisch fällt und ich mich daran schneide; ich fürchte mich vor einem Fahrradunfall auf dem Weg zur Arbeit, ich fürchte, dass die Faschisten in den sächsischen Landtag einziehen und die Demokratie zerstören.

Ich persönlich kenne Angst und Furcht sehr gut. Ich bin Traumapatient seit einer privaten Tragödie vor einigen Jahren; vor fast 3 Jahren habe ich einen schweren Fahrradunfall überlebt; ich habe einen 7 Monate alten Sohn, der letztes Wochenende in der Klinik am Beatmungsgerät hing.

Angst ist allgegenwärtig.

Wir fürchten uns ja auch in der Freizeit wirklich gern: Fällt euch ein Science-Fiction-Film ein, der eine komplette Utopie einer perfekten Welt beschreibt? Ich kenne keinen. Horror und Actionfilme funktionieren nur, wenn wir uns auch gruseln oder fürchten lassen, dass zum Beispiel der Protagonistin etwas zustößt – James Bond hätte nicht funktioniert, wenn der am Ende nicht immer wieder die Welt gerettet hätte.

Angst ist sexy, make Angst great again!

… aber doch bitte nur mit Happy End!

Die deutsche Gesellschaft kennt Angst besser als jede andere, weshalb uns oft die „German Angst“ zugeschrieben wird. Wir haben Angst vor Veränderung, Angst vor dem Statusverlust durch eine diversere Gesellschaft oder hohe Inflation. Wir haben Angst vor Innovationen, die die Erfindungen unserer Vorfahren obsolet machen könnten, Angst, dass uns die Politik das Auto verbietet oder Gender-Sternchen aufzwingt. Wir haben Angst vor Putin, Angst vor Trump, Angst vor Xi Jinping.

Angst ist also nicht einfach nur unser Hobby, Angst ist unsere Berufung.

Dabei ergaben diverse Umfragen selbst während der Corona-Pandemie, dass die Menschen hierzulande meistens Angst vor diffusen Schreckensbildern haben – privat und beruflich schätzt eine überwältigende Mehrheit ihre individuelle Zukunft sehr zuversichtlich ein. Wie passt das zusammen? Sind wir individuell naiv-optimistisch, aber kollektiv krankhaft-paranoid?

Mein Eindruck ist, dass uns gesellschaftlich das Verständnis einer gesunden Angst, die uns zu vernünftigen Entscheidungen leitet, abhandengekommen ist. Angst und Furcht sind keine Phänomene, die es nur in schwarz und weiß gibt, sondern auch in allen Farben dazwischen. Das ist eine zentrale Erkenntnis, wenn man sich Gedanken über die Zukunft machen möchte, die nicht durch Angst verzerrt sind.

[PAUSE]

Ich bin Zukunftsforscher, Soziologe und Politikwissenschaftler. Ich genieße das fabelhafte Privileg, sehr häufig sehr klugen Menschen und mir selbst immer wieder die Frage stellen zu dürfen:

Welche anderen Perspektiven als Angst oder Zweifel können wir auf die Zukünfte richten?

Wir alle befassen uns mehr oder weniger strukturiert mit der Zukunft. Urlaubsplanung, Steuererklärung, Einkaufsliste, Rentenversicherung, Weihnachtsgeschenke. Paradoxerweise findet aber Zukunft für die meisten Menschen in der Regel kaum explizit statt.

Unser Bildungssystem ist ein verheerendes Beispiel dafür: Junge Menschen sollen Gehorsam lernen, sollen das Wiedergeben der Lehrpläne perfektionieren, es geht mehr ums Verwalten des Status Quo als das Erdenken und Gestalten der Zukunft. Und das wird uns gerade gesellschaftlich mit einiger Brutalität zurückgespiegelt.

Denn: Wer nicht nach einer plausibel erreichbaren Zukunft strebt, wird destruktiv oder depressiv. Das gilt für einzelne Personen genauso wie für Gesellschaften. Leider zieht sich dieser eklatante Zukunftsmangel bis in die höchsten politischen Ämter durch.

„Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“, hat Altkanzler Helmut Schmidt einst gesagt und ist damit der geistige Vater der Zukunftslosigkeit ganzer Generationen. Dass er das nicht so gemeint hat, hilft uns leider nicht mehr.

Doch ich möchte eure Zeit bei diesem Neujahrsempfang nicht mit Lamentieren vergeuden, denn Experten für Nörgelei gibt es wahrlich genug. Stattdessen möchte ich euch ab jetzt ausgewählte plausible, erreichbare positive Zukunftsszenarien der nächsten paar Jahrzehnte erzählen. Sie basieren auf den Erkenntnissen der seriösen Zukunftsforschung, sind also technologisch machbar und unter der Annahme wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Interessen konsistent – das heißt, sie widersprechen nicht anderen naturwissenschaftlichen Gesetzen und gängigen Prognosen.

Willkommen im Jahr 2050!

Lasst uns ausschließlich einen Blick auf die guten Errungenschaften werfen.

1. Gesundheit

Seit der Entdeckung der Genschere CRISPR/Cas9 im Jahr 2013 ist es möglich, die genetische Struktur von Lebewesen zu verändern. Und wir wissen ja längst, dass viele Gesellschaftskrankheiten durch bestimmte Kombinationen bzw. Prädispositionen der Gene begünstigt werden. Die gute Nachricht ist also: Im globalen Norden gibt es 2050 kaum noch bekannte Fälle von Diabetes, Alzheimer-Demenz, Parkinson, multipler Sklerose und selbst Krebs tritt nur noch selten auf und verläuft fast nie tödlich!

Künstliche Organe liegen in großen Organdatenbanken bereit für den Fall, dass durch einen Unfall oder eine unvorhergesehene Krankheit die Leber, Lunge oder das Herz ersetzt werden muss. Diese Datenbanken werden von den Krankenkassen verwaltet – die Premiumvariante ist natürlich auch im Jahr 2050 den Superreichen vorbehalten. Sie lassen sich besonders leistungsfähige Organe anfertigen, die nicht nur dann ausgetauscht werden, wenn die erste Version nicht mehr funktioniert. Schönheits-OP 2.0, sozusagen. Nur das Gehirn konnte bislang nicht dupliziert werden, aber das ist vielleicht auch gut so.

Natürlich gibt’s trotzdem noch diverse weniger schlimme Krankheiten; Körper und Geist brauchen auch gelegentliche Erkältungen, zudem entstehen immer neue Viren und Bakterien. Aber auch dagegen gibt’s ein Wundermittel: Mithilfe von Quantencomputern und künstlicher Intelligenz werden für bestimmte Krankheitsbilder seit vielen Jahren individualisierte Arzneimittel hergestellt.

Tatsächlich hat das zwei erstaunliche Entwicklungen begünstigt. Das eine ist, dass Menschen heutzutage sehr viel gesünder altern. Viele Alterskrankheiten und Todesursachen sind schlicht nicht mehr nötig. Heute ist es keine Seltenheit mehr, dass 90-Jährige einen Marathon laufen oder als Nachhilfelehrer ihre Rente aufbessern. Das zweite ist, dass einige wenige Menschen weit über 100 Jahre alt werden. Das liegt daran, dass nicht nur die Krankheiten heilbar wurden, die sonst den Tod bedeutet haben, sondern auch erste Mittel zugelassen wurden, die den Alterungsprozess einfrieren oder sogar umkehren! Der älteste Mensch ist im Jahr 2050 stolze 140 Jahre alt und auf dem körperlichen und mentalen Stand wie ein 50-Jähriger. Das verleiht einigen gesellschaftlichen Konzepten eine völlig neue Bedeutung: Was kostet eine Lebensversicherung? Wann gehen wir in Rente? Wie lange muss ich zur Schule gehen, wenn ich danach noch über 100 Jahre arbeiten werde? Wer heiratet noch, wenn „bis dass der Tod uns scheidet“ kein Ablaufdatum mehr hat? Brauchen wir ein Enddatum, zu dem das Leben enden soll?

2. Mobilität

Das Wichtigste vorweg: Ja, es gibt Flugtaxis. Gab es ja zu eurer Zeit auch schon, zumindest in Dubai und einigen anderen Orten der Welt. Auch in Deutschland sind sie inzwischen angekommen und entlasten den Verkehr auf den Autobahnen und in Ballungsgebieten zunehmend. Der größte Vorteil ist gar nicht unbedingt die individuelle Mobilität, sondern dass man dafür kaum Infrastruktur braucht. Immerhin gab es zu eurer Zeit rund 600 stillgelegte Kleinflughäfen, die inzwischen als Mobility Hubs genutzt werden.

Aber natürlich besitzt man kein Flugtaxi für den Privatgebrauch, sondern man mietet sich eins – einen Flugschein braucht man dafür nicht, weil es komplett autonom von A nach B steuert. Keine Angst: Es herrscht kein Chaos am Himmel, denn wie es sich für Deutschland gehört, sind die erlaubten Korridore recht eingeschränkt.

Aber überhaupt ist der Privatbesitz eines Fahrzeugs, das kein Fahrrad ist, im Jahr 2050 eher eine Seltenheit. Es ist seit Jahren viel einfacher und günstiger, ein Fahrzeug für den aktuellen Nutzungszweck zu mieten, als mehrere Tonnen Metall zu kaufen, zu versichern und für dessen Unterhalt zu sorgen. Sehr merkwürdiges Konzept, das ihr zu eurer Zeit noch „normal“ nennt. Selbstfahrende Autos, wie ihr sie euch vorstellt, gibt es trotzdem in der Form noch sehr wenig – das liegt daran, dass die Städte dafür einfach nicht geeignet sind. Außerorts ist das natürlich was anderes.

Derweil ist das Streckennetz im Schienenverkehr deutlich gewachsen, sodass die überregionale Bahnmobilität deutlich angenehmer wurde. 100 Prozent Pünktlichkeit bekommen wir trotzdem noch nicht hin, das ist weiterhin Zukunftsmusik 😉

3. Künstliche Intelligenz

KI ist im Jahr 2050 so normal und allgegenwärtig wie zu eurer Zeit die Verwendung von Smartphones. Im Arbeitsalltag heißt das: Die meisten Erwerbstätigen haben einen KI-Kollegen, der sie bei fachlichen Fragen, bei der Einhaltung des Freizeitausgleichs und für sämtliche Korrespondenz unterstützt. Das heißt auch, dass alle jetzt einen persönlichen Coach zur Stelle haben, mit dem sie konzeptionelle Fragen durchspielen oder die Selbstverwirklichung vorantreiben können. Ähnlich wie die Sozialabgaben werden die Kosten für diese KIs über einen kleinen Gemeinwohlbeitrag vom Bruttolohn abgezogen.

Es gibt keine Unternehmen und öffentliche Einrichtungen mehr, in denen KI nicht Standard ist. Alle Organisationen, die sich zu eurer Zeit nicht mit KI beschäftigt haben, gibt es schlicht nicht mehr. In einer Übergangszeit waren also einige Menschen arbeitslos, haben sich aber dann mit den Möglichkeiten von KI befasst und dann eine neue Existenz aufgebaut. Eine 40-Stunden-Woche gibt es längst nicht mehr, klar arbeiten einige so viel oder auch mehr, aber nicht mehr nur in einem Job. Die meisten haben nämlich auch ein zweites Standbein in Form einer freiberuflichen Arbeit oder eines Kleingewerbes, mit dem sie ihren Traum verwirklichen und dabei trotzdem noch gutes Geld verdienen. Ob das nun ein Job im Metaverse oder eine eigene Gärtnerei ist, spielt dabei keine Rolle.

Eine der markantesten Entwicklungen ist die Verschmelzung von KI und Mensch. Es gibt einige wenige, die sich tatsächlich kleine Computerchips direkt ins Gehirn transplantieren lassen, um unmittelbar per Gedankenkraft mit der KI kommunizieren zu können.

Wäre das was für euch?

4. Nachhaltigkeit

Zwar sind viele Prognosen aus eurer Zeit in Bezug auf den Klimawandel leider eingetreten, doch vieles hat sich auch zum Guten gewendet. Durch massive Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft und der Zivilgesellschaft hat sich die Biodiversität nahezu erholt. Das hatte auch damit zu tun, dass seit etwa 2030 die Massentierhaltung verboten wurde – einer der wichtigsten Emittenten von Treibhausgasen. Es gibt zwar noch Fleisch von echten, toten Tieren im Handel, doch das ist sehr teuer. Stattdessen wird es für 95 Prozent des Verbrauchs künstlich hergestellt und zwar genau dort, wo es auch verbraucht wird: Im Supermarkt, Restaurant, der Kantine, im Zug oder Flugzeug. Das ist übrigens auch viel gesünder für die Menschen, hat aber trotzdem eine Weile gedauert, bis sich die Ernährungskultur darauf eingestellt hat. Die Technologie dahinter war zu eurer Zeit längst erforscht, doch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit brauchte noch ein paar Jahre. Irgendwann fand es dann die Mehrheit der Gesellschaft barbarisch, lebendige Tiere zu schlachten, um ein leckeres Steak zu essen – und das kommt schneller als einige von euch heute vielleicht noch denken.

Stichwort Wettbewerbsfähigkeit: Wir haben ein Energieproblem im Jahr 2050, aber nicht das, was ihr jetzt denkt… wir haben nicht zu wenig, sondern ZU VIEL ENERGIE! Das liegt daran, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien aus Wind, Sonne und Wasser so rasend schnell ging, dass Haushalte und Gewerbeimmobilien sich inzwischen fast komplett selbst versorgen können. Dazu kommen aber noch zwei weitere, disruptive Faktoren: Erstens ist die Kernfusion, die ja seit 2022 erwiesenermaßen funktioniert, seit ein paar Jahren auch kommerziell interessant geworden. Deshalb haben die meisten Staaten Kernfusionsreaktoren, die nahezu unendlich viel Energie erzeugen können. Zweitens haben wir aber auch riesige Photovoltaikanlagen im Weltall, die Sonnenenergie direkt dort oben einsammeln und per Mikrowelle an Stationen auf der ganzen Welt und dem Mond senden – wir dürfen ja nicht unsere Mitmenschen auf Mond und Mars vergessen, die haben ja auch Bedürfnisse. Das heißt also: Wir haben Energie im Überfluss und „müssen“ uns immer wieder neu überlegen, wie wir noch mehr Strom verbrauchen können, damit die Energienetze nicht überlasten. Für die Großindustrie ist das natürlich etwas anders, aber mit dem vielen Strom gibt es seit wenigen Jahren ein globales Netz für grünen Wasserstoff und das funktioniert erstaunlich gut.

Ach ja, Müll gibt’s auch nicht mehr. Seit den 2030er Jahren ist es weltweit vorgeschrieben, dass Unternehmen für das Recycling und Upcycling ihrer Produkte verantwortlich sind. Das hat komplett den Anreiz zerstört, möglichst schnell möglichst viele Produkte herzustellen, die irgendwo auf der Welt gekauft, benutzt und entsorgt werden. Stattdessen leben wir inzwischen in einer echten Kreislaufwirtschaft, in der alle Gegenstände und selbst defekte Geräte als Rohstoff wieder aufgewertet werden können und müssen. Das Paradigma hat sich entsprechend von schnellem Konsum bzw. schnellen Gewinnen gewandelt zu hochwertigen, langlebigen und problemlösenden Erzeugnissen. Dadurch sind auch viele Länder des globalen Südens immer schneller wirtschaftlich vorangekommen – seit das Energieproblem kein Problem mehr ist, haben sich die Währungen stabilisiert, Inflation ist überall moderat und es entstand vielerorts eine kreative, sehr facettenreiche neue Ökonomie. Das Zeitalter des Turbokapitalismus wurde abgelöst von einer für alle Lebewesen und Ökosysteme gewinnbringenden Form des Postkapitalismus. Ich meine nicht die Hippie- oder Trotzki-Version, sondern einen Kapitalismus, der andere Währungen kennt als Geld, nämlich das Gemeinwohl von Menschen überall auf dem Planeten und der Natur.

Zurück ins Jahr 2024.

Ich wette, dass diese Ausführungen einigen von euch im wahrsten Sinne fantastisch vorkommen – also basierend auf Fantasie. Doch hinter jedem einzelnen stecken nennenswerte Stränge in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Dieses Jahr erscheinen unter anderem drei Sammelbände von mir, die einige der genannten Themen unterfüttern – und ein Handbuch für KI in Unternehmen namens „KI jetzt!“.

Nach vielen Jahren und hunderten Mandaten im Kontext der seriösen Zukunftsforschung bin ich überzeugt: Wir sollten öfter über unsere positiven Zukunftsbilder sprechen. Und auch darüber streiten. Denn es ist ja offensichtlich, dass mein Blick in die Zukunft ein anderer ist als der meiner Nachbarin oder eines Kindes, das gerade in Lagos aufwächst. Doch wir werden uns und unsere Welt nicht retten, wenn wir nur über die Schattenseiten sprechen. Lasst uns häufiger und strukturierter über schöne Zukünfte sprechen.

Dann klappt’s auch mit der Angst, das verspreche ich euch.

Vielen Dank fürs Zuhören!

Foto von Etienne Girardet auf Unsplash


Neuer Imagefilm: Keynote Speaker Kai Gondlach

🌐 In meinem neuen Imagefilm nehme ich Sie mit auf eine faszinierende Reise durch die Zukunft. Als renommierter Zukunftsforscher, Keynote Speaker und Unternehmer ist es meine Leidenschaft, Themen wie Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Dekarbonisierung mit einem einzigartigen Ansatz zu präsentieren - und das inzwischen weit über 300 Mal.

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Falls Sie das Video lieber direkt auf Youtube ansehen möchten, benutzen Sie diesen Link: https://www.youtube.com/watch?v=JUCLpLnba_A

🚗 Das Highlight: Tauchen Sie ein in das Highlight des Videos, wenn ich live hinter der Bühne aus einem echten DeLorean aussteige – die legendäre Zeitmaschine aus "Zurück in die Zukunft". Diese einzigartige Inszenierung verleiht meinen Keynotes auf Wunsch eine unvergessliche Dimension und bleibt bei Ihrem Publikum ganz sicher in Erinnerung!

🎤 Keynotes: Erleben Sie inspirierende Einblicke in meine Vorträge über die Zukunft und Zukünfte, während ich vor einem begeisterten Publikum von rund 400 Menschen aus einem großen IT-Beratungsunternehmen spreche. Als Wissenschaftler, Autor und Herausgeber teile ich mein fundiertes Wissen über die neuesten Innovationen, spannende Thesen und Visionen für das Jahr 2050. Sie mögen es lieber anwendungsbezogen? Kein Problem. Ich bringe auf Wunsch gern Fallbeispiele zu meinen Kernthemen mit und verbinde diese mit plausiblen Zukunftsszenarien.

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👥 Zielgruppe: Meine Keynotes richten sich an Entscheidungsträger, Unternehmen und Verwaltungen sowie alle, die den Blick in die Zukunft richten. Entdecken Sie, wie Sie mit meiner Expertise die Zukunft aktiv gestalten können. Ob Mittelstand, öffentliche Verwaltung, Bildungsträger oder Startup; ob Strategiemeeting der Geschäftsleitung, Sommerfest oder Kongress - mir liegen alle Formate und Anlässe.

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Videoproduktion: Lauflichtfilm, Rödingsmarkt 14, Mediadeck Hamburg, 20459 Hamburg

DeLorean animation courtesy of @harmzz


Geschlechtergleichheit

Geschlechtergleichheit ist vor allem Männersache

Eins meiner Lieblings-T-Shirts ist weiß und enthält einen prominent in schwarz gedruckten Text: „WE SHOULD ALL BE FEMINISTS“. Da man damit scheinbar wieder mehr Kontroversen auslöst als mit Sprüchen des antisemitischen US-Rappers Kanye, fühlte ich mich veranlasst, das Thema Gerechtigkeit für sogenannte Minderheiten eingehend zu beleuchten; von der Historie über die Gegenwart bis in die Zukunft.

Warum Geschlechtergleichheit?

Auf diese Einstiegsfrage möchte ich mit einer Gegenfrage antworten: Warum nicht? Diese Frage wird zu selten gestellt in der „woken“, „grünlinksversifften“ Filterblase, in der sich vermutlich nicht nur ich aufhalte, sondern auch die meisten, die das hier lesen.

Das Problem

Unabhängig von chauvinistischen und misogynen Äußerungen eines gesellschaftlichen Randes oder dem AfD-Programm ist Geschlechtergleichheit noch immer keine Selbstverständlichkeit. Wenn Sie diesen Text lesen, (er)leben Sie vielleicht längst das Gegenteil, weil Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zukunftsoffen, tolerant und aufgeklärt sind. Das ist fabelhaft, schließlich sind es unsere gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systeme bis heute nicht. Daran ändert leider der Status Quo in einzelnen Familien oder Milieus wenig, zumindest nicht kurzfristig.

Unsere sozialen Systeme und Institutionen sind träge, was nicht immer schlecht sein muss. Man hat aus der Vergangenheit gelernt. Doch ein nennenswerter Anteil der Gesetze und Normen stammt aus einer weniger aufgeklärten, weniger globalisierten Zeit, in der es als gesellschaftlicher Konsens galt, dass

  1. eine Familie aus einem Mann (= Vater), seiner Frau (= Mutter) und deren Nachkommen besteht,
  2. der Mann arbeitet und die Frau sich um Haushalt, Kinder und andere Angehörige kümmert (unentgeltlich),
  3. der Mann die Familienentscheidungen trifft, Bankkonten verwaltet und Ausgaben verantwortet,
  4. Frauen keinen höheren Schulabschluss benötigen und erst recht kein Studium,
  5. Frauen, wenn überhaupt, überwiegend in Teilzeit arbeiten und natürlich weniger verdienen – und somit auch weniger Rentenansprüche haben,
  6. Frauen zwar de facto die Reproduktion der Gesellschaft sicherstellen, de jure aber nicht mehr als unmündige Arbeiterbienen sind.

Der Mann war im alten Rollenbild sozusagen der Vorstand der Familien-Firma, die Frau der operative Unterbau. Zugespitzt war der Mann der Kapitalist, dem alles gehörte, und die Frau stand für das Proletariat, kaum Rechte, aber viele Abhängigkeiten. Noch einfacher: Mann = Elite, Frau = Prekariat.

Über Jahrzehnte war es sogar gesetzlich verankert, dass der Mann Anspruch auf Sex, notfalls unter Anwendung von Gewalt, hat.

„Das Gesetz, das Vergewaltigungen in der Ehe zur Straftat machte, trat erst am 1. Juli 1997 in Kraft, vor nun 20 Jahren; im Bundestag angenommen mit 470 zu 138 Stimmen bei 35 Enthaltungen.“

(sueddeutsche.de (2017))

Eine der Gegenstimmen kam übrigens vom heutigen CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz (Quelle: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 13/175). Gruselig.

Tiefgreifende Verankerung der strukturellen Diskriminierung

Die Gründe für die tiefgreifende Verankerung der strukturellen Diskriminierung liegen maßgeblich in der Wirtschaftsstruktur der Zeit zwischen der ersten und dritten Industrialisierung. Doch die hat sich schneller gewandelt als soziale und kulturelle Normen mithalten können. In einer christlich – über viele Jahrhunderte katholisch – geprägten Gesellschaft ist es bis heute keine Selbstverständlichkeit, dass die Rechte von Mädchen und Frauen denen von Jungs und Männern gleichgestellt sind. Leider hat den bibeltreuen Menschen kaum jemand erzählt, dass man Texte, die inzwischen teilweise über 2000 Jahre alt sind, durch den historischen Kontext gefiltert lesen muss. Was zu biblischen Zeiten noch richtig gewesen sein mag, ist heute oft natürlich kompletter Unsinn und muss reformiert werden. Ja, auch das, was zu Luthers Zeiten richtig war, hat sich überlebt.

Die eine Seite sind die Gesetze, die zunehmend durch Gleichberechtigung gekennzeichnet sind. Die andere, noch langsamere Seite sind kulturelle, informelle Normen, die oft mehrere Generationen benötigen, um sich an neue Gegebenheiten anzupassen. Ja, dazu gehört auch das „Gendern“ bzw. Gender Mainstreaming, also die sprachliche Berücksichtigung mehrerer als der generisch maskulinen Form. Aber ganz praktisch gesehen wird sich das Wertegefüge in einer Ehe, die seit 30 Jahren auf dem „alten“ Muster besteht und einigermaßen funktioniert, nicht über Nacht in eine gleichberechtigte Ehe wandeln. Und wenn diese Ehe auch Kinder hervorgebracht hat, sind diese Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Wertmuster ihrer Eltern geprägt und reproduzieren potenziell eher das klassische Schema – insbesondere, wenn nicht über die Möglichkeiten einer gleichberechtigten Gesellschaft aufgeklärt wird oder wurde. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Gewalt gegen Frauen

Leider spiegelt allerdings auch die Kriminalitätsstatistik häuslicher Gewalt, die sich fast immer gegen die Frau richtet, wider, was wir in diesen Mustern sehen. Die sogenannte „partnerschaftliche Gewalt“ – ein absurd verharmlosender Begriff – hat sogar in den letzten Jahren wieder zugenommen: Zwischen 2017 und 2021 stieg sie um 3,4 Prozent, was einem Sprung von 138.893 (gemeldeten!) Taten in 2017 auf 143.604 in 2021 entsprach (Pressemeldung vom Bundesinnenministerium 24.11.2022, Statistiken des Bundeskriminalamts). Ob ein direkter Zusammenhang zwischen Gewalt in Partnerschaften und dem Widerspruch der Realität mit dem konservativen Wertefundament besteht, ist wissenschaftlich unklar. Ich bin davon überzeugt.

Umgekehrt liegt die Vermutung nahe, dass mehr Geschlechtergleichheit, bessere Aufklärung und mehr – auch durchgesetzte! – Gesetze zu einem Rückgang der Gewalt und strukturellen Diskriminierung beitragen könnten.

Schauen wir uns die Gegenseite an: Welche Vorteile bringt Geschlechtergleichheit?

Die Vorteile der Geschlechtergleichstellung

Vorweg: Kein Mädchen, keine Frau soll gezwungen werden, gegen ihren Willen höhere Bildungsabschlüsse anzustreben oder besser bezahlte Jobs auszuüben.

Aber: Jedes Mädchen, jede Frau soll die Möglichkeit haben, sich unabhängig von einem männlichen „Beschützer“ (Ehemann, Vater, sonstige Beziehung) eigenmächtig für ihren Bildungs- oder Karriereweg zu entscheiden. Das gilt selbstverständlich auch für alle Menschen nicht-binären Geschlechts und alle sexuellen Orientierungen, zusammengefasst im Akronym LGBTQIA*. Zumindest müsste man so argumentieren, wenn man seinen Wertekodex nach Aufkommen der Aufklärung ab dem Jahr 1700 basierend auf humanistischen Werten definiert.

Denn das ethische Fundament wurde mit dem Humanismus gelegt und spätestens seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 international kodifiziert. In Artikel 1 heißt es:

„Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“

Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, 1948

Und warum wurde das ausgerechnet nach dem Zweiten Weltkrieg in dieser Form festgehalten? Weil man zur damaligen Zeitenwende auch die Lehren aus der Vergangenheit zog, Platz für die freiheitlich demokratische Grundordnung und freie Märkte machen sollte. Zu der Zeit war absehbar, dass die zweite industrielle Revolution global an Fahrt gewann und die dritte, der Computer, bereits langsam begonnen hatte. In der Vorstellung der Vereinten Nationen existierten schon damals die Zukunftsbilder einer zunehmend mit Computern vernetzten und globalen Arbeitswelt, in der Wertschöpfungsketten sich über mehrere Kontinente erstreckten, in der die Arbeitskraft einzelner Unternehmen notwendigerweise zu einer globalen Verteilung führen musste.

Die Trümmerfrauen sollten kommen, um zu bleiben

Dieser „great leap forward“ basierte auf dem „New Deal“ zum Wiederaufbau des zerstörten Europas und Teilen Russlands. Darin erkannte man auch ganz pragmatisch, dass für diese Mammutaufgabe(n) viel Arbeitskraft benötigen wird; auch weibliche, denn viele Männer waren nie aus dem Krieg zurückgekehrt. Vermehrt stellte man fest, dass die althergebrachten Erzählungen über das „schwache Geschlecht“ nicht mehr als Unterdrückungsgeschichten einer männlichen Wirtschafts-, Kirchen- und Adelselite waren – dennoch waren besonders hierzulande die Regierungen und die Justiz konservativ geprägt und maßgeblich durch rehabilitierte Nazis durchsetzt. Dennoch erlebte der Feminismus des 19. Jahrhunderts eine Renaissance und gipfelte in den 1960er Jahren in weltweiten Protesten für Gleichberechtigung und (sexuelle) Selbstbestimmung.

Heute wissen wir in unserer aufgeklärten Filterblase, die von Rechtsextremen und Populisten gern als „grünlinksversifft“ abgewertet wird, dass mehr Freiheiten für das weibliche Geschlecht zu einem gesamtgesellschaftlichen Gewinn führen. Die einzigen Verlierer sind diejenigen, die sich gegen den Wandel wehren und den Mädchen und Frauen offensichtlich veraltete Rollenbilder vorschreiben möchten, weil sie sich in ihrer toxischen Männlichkeit bedroht fühlen.

Die volkswirtschaftlichen Vorteile von Geschlechtergerechtigkeit liegen auf der Hand. Je mehr Menschen einen Zugang zu Arbeitsplätzen haben, weil sie ohne Diskriminierung eine zeitgemäße Schul- und Ausbildung oder ein Studium absolvieren können, desto besser ist das für Arbeitgeber und den Fiskus.

Der Fakt, über welches Organ ich Urin ausscheide, ob ich gebärfähig bin, mit wem ich am liebsten mein Bett teile, darf keine Rolle im Bildungswesen oder Arbeitsmarkt spielen.

Erste Ergebnisse und Trendverstärker

Es mangelt ja auch nicht an Vorbildern, die „es“ trotz der starren Institutionen geschafft haben. Inzwischen hatten wir in Deutschland eine weibliche Bundeskanzlerin, mehrere Bundestagspräsidentinnen, einige Spitzenwissenschaftlerinnen prägen seit Jahrzehnten die Forschungslandschaft (wobei der Anteil der weiblichen Nobelpreisträgerinnen nach wie vor unterirdisch ist). Seit 2015 gilt das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, infolgedessen der Frauenanteil in Vorständen der 100 größten Unternehmen von 0,2 Prozent im Jahr 2006 auf immerhin 16,4 Prozent im Jahr 2021 anstieg (Quelle: Statista).

Inzwischen trat 2021 das Zweite Führungspositionengesetz in Kraft, welches öffentliche Unternehmen und große Privatunternehmen dazu verpflichtet, eine Nullquote von Frauen zu begründen. Die Auswirkungen sind noch nicht messbar, jedoch ist zu erwarten, dass daraufhin der Frauenanteil in Führungspositionen weiter steigen dürfte. Studierende sind knapp zur Hälfte weiblich, jedoch ist nur etwa ein Viertel der Professorenschaft dann auch weiblich besetzt. Etwas mehr als ein Drittel der Bundestagsabgeordneten sind Frauen. Etwas mehr als ein Drittel der Unternehmensgründungen machen Frauen. Das fadenscheinige Argument, Frauen seien nicht in der Lage oder hätten keine Ambitionen, komplexe Ämter oder Berufe auszuführen, ist damit rein faktisch widerlegt.

In den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDG) steht das SDG 5: Geschlechtergleichheit für die Gleichstellung von Mädchen und Frauen. Es umfasst fünf Unterziele, insgesamt 14 Indikatoren (s. SDG-Indikatoren.de), anhand derer regelmäßig für die meisten Staaten weltweit Daten erhoben und im besten Fall der Fortschritt zu mehr Geschlechtergleichheit dokumentiert wird. Vorsichtig gesagt ist in den meisten Staaten der Welt ein positiver Trend erkennbar – mit den üblichen Ausnahmen und teils herben Rückschlägen.

Eine Studie des Bundesfamilienministeriums kam bereits 2011 zu dem Ergebnis, dass Frauen in Führungspositionen zu signifikant besseren Ergebnissen in Unternehmen beitragen (Quelle: BMFSFJ). Die internationale Arbeitsorganisation (ILO) fand 2019 nach der Befragung von 12.000 Unternehmen aus 70 Ländern heraus: „Ein höherer Anteil von Frauen in Führungspositionen verbessert die Unternehmensperformance und erhöht die Attraktivität als Arbeitgeber“ (Quelle: ILO). Und sogar die konservative Zeitung WELT titelte 2018: „Der Frauen-Effekt sorgt für signifikant bessere Ergebnisse“.

Wieso diskutieren wir dann immer noch über eine Quote?

Warum Frauenquote?

Der deutsche Gesetzgeber hat sich vor inzwischen acht Jahren klar positioniert und viele börsennotierte Unternehmen sowie „der Mittelstand“ haben den Pfad eingeschlagen. Dennoch sind die Zahlen immer noch ernüchternd oder, flapsig ausgedrückt: Da geht noch was.

Eine Quote soll in keinem Fall einen gleichrangig oder besser qualifizierten Mann vor die Tür setzen. Genauso wenig hat jemals jemand eine Pflicht zum Gender Mainstreaming in ganz Deutschland gefordert – aber verboten, was ich übrigens nicht nur inhaltlich falsch, sondern in Erinnerung an die Sprachgesetze der NS-Zeit grauenhaft finde. Und ja, ich bin auch einer derjenigen, die überzeugt sind, dass der Zusammenhang zwischen Sprache und Gesellschaft in beide Richtungen verläuft, weshalb ich in meinen Texten auch trotz Verbots in Sachsen

weiter gendern werde – nicht einheitlich und nicht dogmatisch, sondern um den Diskurs aufrechtzuerhalten. Sprache ist immer auch Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse; und solange es nicht beispielsweise normal ist, dass man das generische Femininum verwendet und die Männer auch mitgemeint sind, läuft etwas schief. Wie wär’s mit einem Jahrhundert des generischen Femininums?

Die oftmals aggressiven Äußerungen in „social“ Media sind ein offensichtlicher Beleg dafür, dass ein Teil der Gesellschaft noch nicht bereit ist, sich auf die veränderte Ausgangssituation einzulassen, dass Mädchen und Frauen dieselben Rechte und Ansprüche haben wie Jungs und Männer. Nein, lieber Hartmut, nicht mehr. Genauso viele. Dass man das überhaupt noch diskutieren muss, macht mich manchmal ratlos.

Bis also auch der liebe Hartmut* verstanden hat, dass eine weibliche Führungskraft genauso kompetent (oder inkompetent!) sein kann wie sein männlicher Boss, dass seine Ehefrau und Tochter genauso frei in der Wahl ihres Berufs, ihres Partners oder ihrer Partner:innen ist, dass sie über sämtliche Freiheiten verfügen können sollen, wie die allseits beschworenen „alten, weißen Männer“, werde ich weiterhin gendern. Danach können wir das meinetwegen auch wieder lassen.

*sorry an alle aufgeklärten Hartmuts, ist nichts Persönliches!

Fazit: Aufruf an die Männer

„Die Zukunft ist weiblich“, steht immer wieder auf Transparenten. Dann gibt es noch jene, auf denen die Zukunft als queer festgelegt wird. Aus Zukunftsforschersicht ist beides falsch. Eher richtig: In Zukunft spielt das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung genauso wenig eine Rolle wie die Augenfarbe. Sie ist vorhanden, entscheidet aber nicht über meine Chancen zur gesellschaftlichen Teilhabe.

Da wir davon aber noch weit entfernt sind, bin ich überzeugt: Geschlechtergleichheit ist vor allem Männersache. Noch immer sitzen „wir“ in Führungspositionen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft (inkl. Kirche) und Forschung. Noch immer entscheiden „wir“ einen Großteil der Personalbelange oder darüber, welche strategischen Investitionen zu tätigen sind. Und damit haben wir eine große Verantwortung und auch Chance, um zu einer insgesamt gerechteren Welt beizutragen.

Zwei Initiativen möchte ich explizit erwähnen:

  1. In Episode #104 meines Podcasts „Im Hier und Morgen“ (VÖ: 3. August 2023) erklärt Heike Leise, Top-Führungskraft und Vorstandsmitglied bei FidAR e. V. (Frauen in die Aufsichtsräte), die Vorzüge von mehr Diversität in Teams und auch großen Unternehmen. Sie nennt dabei viele Statistiken, die Aufschluss über den Ernst der Lage geben.
  2. Leuchtturm-Papas von Jörg Stephan helfen Führungskräften und Teams dabei, mehr Geschlechtergleichheit und Diversität umzusetzen – dazu gehört auch Eltern- oder Teilzeit für Väter. Er war auch im Podcast zu Gast, genauer in Episode #096 (Apple, Spotify, Youtube), und erklärt, warum die „Untervaterung“ der schlimmste Gegner der Geschlechtergleichheit ist.

Ausschnitt Foto von Presidencia de la República Mexicana


Futuralgie statt Nostalgie

Warum gibt es eigentlich keinen Begriff für die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft? Nostalgie und sogar Ostalgie sind doch weit verbreitet! Mein Plädoyer für mehr Zukunftssehnsucht, oder: Futuralgie.

Plädoyer gegen Nostalgie und Ostalgie

Was genau bedeutet eigentlich Nostalgie? Laut Duden.de ist die Bedeutung wie folgt:

... vom Unbehagen an der Gegenwart ausgelöste, von unbestimmter Sehnsucht erfüllte Gestimmtheit, die sich in der Rückwendung zu einer vergangenen, in der Vorstellung verklärten Zeit äußert, deren Mode, Kunst, Musik o. Ä. man wieder belebt.

Duden.de über Nostalgie, 12.04.2023

Das heißt in anderen Worten: Wer mit der aktuellen Situation unzufrieden ist, flieht gedanklich in die Vergangenheit. Man schwelgt in Erinnerung, oft sogar in einer falschen. Allzu viele Menschen oder deren Umfeld leiden am Rückschaufehler (hindsight bias). Demnach neigen wir manchmal dazu, die Vergangenheit zu glorifizieren, à la: "Es war ja auch nicht alles schlecht damals!" - die Musik war besser, man hatte mehr Spaß und die Jugend ist heute sowieso total verdorben.

Der Haken an Nostalgie: Sie kann krank machen. Denn schließlich wird die Vergangenheit nie zurückkehren. Wer sich eine komplexe Situation wie eine vergangene Staatsform zurückwünscht, wird unweigerlich enttäuscht werden. Wer Geschichtsbücher studiert, weiß, dass auch viele "Revolutionen", die die Wiederherstellung eines vorherigen Status Quo (ex ante) zum Ziel hatten, unter anderem daran scheiterten, dass dies natürlich nicht möglich war. Das Rad der Zeit hatte sich schon weitergedreht, die Einstellungen in den Köpfen der Menschen und die Regeln in den Institutionen waren bereits andere. Ein nennenswerter Anteil der psychischen Krankheiten in strukturschwachen Regionen lässt sich mittelbar mit Nostalgie (oder Ostalgie) erklären, wäre meine steile These an dieser Stelle.

Der noch größere Haken: Logischer Weise können wir nur künstlerische Artefakte wie Musik oder Kunst aus der Vergangenheit konsumieren. Darüber hinaus sind unsere Erinnerungen eng an unsere sinnliche Erfahrung der Vergangenheit gekoppelt, dazu kommen noch Gerüche und taktile Reize, welche wiederum (noch) schwieriger codierbar sind. Aus dieser Verzahnung vergangener Kunst - ein bestimmter Song, den man zur Hochzeit gehört hat, ein Gemälde, welches man mit dem verstorbenen besten Freund bestaunte - wird dann die Fehlannahme, dass "damals alles besser war".

Ein Einfalltor für Populismus und autoritäre Ideologie, siehe Reichsbürger.

Plädoyer für Futuralgie

Deshalb habe ich mir überlegt, warum wir nicht eine Futuralgie bestärken können. Noch gibt es das Wort nicht, aber das möchte ich mit diesem Beitrag ändern oder zumindest anregen. Sharing is caring!

Zur Klarstellung: Die Zukunft existiert nicht. Höchstens im Plural als mögliche Zukünfte, deren Eintrittswahrscheinlichkeit stark davon abhängt, wie viele Menschen an ihrer Erfüllung arbeiten. Deshalb halte ich es auch für wesentlich, optimistische Zukunftsbilder in die Köpfe der Menschen zu bringen als Gegenpol gängiger Weltuntergangsszenarien und Verzichts-Narrative.

Der Haken: Futuralgie kann immer nur funktionieren, wenn Darstellungen möglicher Zukünfte nicht bloß existieren, sondern diese Vorstellungen auch geteilt, diskutiert, kritisiert und in einen zukünftigen Wertekanon integriert werden - so wie historische Kunst eben. Einen Konsens wird es nicht geben, aber vielleicht einige, potenziell miteinander harmonierende Zukunftsbilder in einzelnen Weltbereichen. Außerdem sollten die Zukunftsbilder möglichst nicht ideologisch aufgeladen sein wie Parteiprogramme.

Laut Duden.de ist die sprachliche Herkunft von "Nostalgie"

neulateinisch nostalgia = Heimweh, zu griechisch nóstos = Rückkehr (in die Heimat) und álgos = Schmerz; die heutige Bedeutung wohl beeinflusst von gleichbedeutend englisch nostalgia

Duden.de über Nostalgie, 12.04.2023

Nostalgie ist also der Schmerz in der Gegenwart und die gedankliche und emotionale Flucht in nicht existente, vergangene Zustände. Wäre es nicht aussichtsreicher, wenn man den Schmerz über aktuelle Missstände umlenkt auf mögliche zukünftige Zustände, an deren Erreichung man selbst mitwirken kann?!

Je nach Zeitempfinden ist das Erreichen einer zukünftigen Situation nämlich durchaus realistischer als die Vergangenheit, denn an die können wir uns zwar erinnern, aber sie wird nie wieder kommen. Zudem erinnern wir uns in der Regel falsch. An die Zukunft können wir uns nicht erinnern, sie aber erdenken, weshalb mancheine:r ja auch von dem Erdächtnis als Gegenpol zum Gedächtnis spricht.

In meiner Dauerumfrage über die Einstellung der Deutschen über die Zukunft habe ich dutzende Anzeichen dafür gefunden, dass ich nicht allein bin. Doch beim Nachdenken über die Futuralgie fallen mir immer mehr gute Argumente ein, die dafür sprechen. Aber bevor ich mich gedanklich im Kreis drehe, möchte ich den Ball gern nach außen spielen. Denn...

Ausblick Futuralgie

Was genau mit diesem Gedanken passieren soll, weiß ich noch nicht. Der Gedanke ist erst wenige Tage alt. Ein gutes Zeichen war, dass bei Google nur zwei Suchergebnisse (!) zu dem Suchbegriff auftauchten. Deshalb habe ich mir direkt die Domain futuralgie.de gesichert. Was wir damit anstellen, überlegen wir uns in den kommenden Monaten.

Wer Ideen und Lust hat, daran mitzuwirken, schreibe gern einen Kommentar.

Foto von Hadija auf Unsplash


Das Goldene Zeitalter des Interim-Management

Hinter mir liegen ein paar reiseintensive Tage, die - wie immer - auch mit einigen neuen Erkenntnissen einhergingen. Das Wichtigste steht schon in der Überschrift. Wie diese Erkenntnis entstand, möchte ich in diesem Zlog-Beitrag erklären.

Interim-Management ist gefragter denn je

Der Befund aus dem Kreise des Interim-Management ist eindeutig: Man kann sich vor Mandaten kaum retten. Dass das goldene Zeitalter für Interim-Manager (m/w/d) noch anhält, habe ich in der Vorbereitung auf meinen meinen Einsatz bei der 8. Konferenz für Interim-Management des DÖIM in Salzburg am 4. März so gesagt und in vielen Gesprächen auch bestätigt bekommen. Woran liegt das und wie geht's weiter?

Die Formel ist auf den ersten Blick ganz einfach: Fachkräftemangel + Wertewandel + Digitalisierung + Bildungsrevolution. Und was kommt danach?

Fachkräftemangel: Die erwartbare Implosion

Der Fachkräftemangel kam mit langer Ansage. Die demografische Entwicklung in nahezu allen westlichen, industrialisierten Staaten des globalen Nordens erfährt gerade oder sehr bald einen Knick. Die "Babyboomer" gehen in Rente oder Pension, es fehlen Dank der soziotechnisch nicht zu überschätzenden Innovation der Geburtenkontrolle (auch Pillenknick genannt) zunehmend Arbeitskräfte. Das Problem wurde in der Mehrheit von Organisationen unterschätzt, denn: Man fährt lieber auf Sicht oder hat schlicht keine Möglichkeit, die regionale Entwicklung nennenswert zu beeinflussen.

Umgekehrt bedeutet das: Beschäftigte sitzen erstmals seit der Industrialisierung am längeren Verhandlungshebel.

... eine Prise Wertewandel

Wertewandel findet immer statt, ebenso wie demografischer Wandel. Fragt sich nur, woher und wohin. Dafür genügt es leider nicht, quantitative Daten zu erheben, es braucht eher qualitative Analysen. Einer der Gründe, warum der Methodenkanon der Zukunftsforschung so breit gefächert ist.

Wichtig: Der Generationenmythos darf unter keinen Umständen im Personalmanagement ankommen. Oder anders: Nahezu alles, was über "Generation Z" oder "Generation Alpha" oder andere Generationen reichweitenstark behauptet wird, ist falsch. Empirisch sind sämtliche Zuschreibungen beliebiger Geburtenjahrgänge bzw. -kohorten kompletter Unsinn. "Generation Z ist bequem", "Generation Y ist postmaterialistisch", "Generation X will nur Profit erwirtschaften" - ein kurzer Blick in die gleichaltrige Verwandtschaft und Freundeskreis genügt, um die These zu widerlegen. Und das wird auf der Ebene von Gesellschaften nicht besser, eher schlimmer. Es ist einfach falsch, anhand der Geburtenjahre Charakterzüge, Fähigkeiten oder Präferenzen zuzuschreiben - und laut Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sogar verboten, weil es sich hierbei um Altersdiskriminierung handelt.

Eher können wir von einem Zeitgeist sprechen, der sich verändert. Sind es wirklich nur die jungen Leute, die gern mit Smartphones, Apps und ChatGPT experimentieren? Nein, es ist eher ein bestimmter Habitus - und eine intervenierende Variable ist, dass ältere Menschen tendenziell schon mehr biografische Pfadabhängigkeiten haben, daher also weniger Zeit oder Energie zum Ausprobieren neuer Technologien. Trends zu mehr Selbstverwirklichung, mehr Freiheitsgraden, Postmaterialismus ziehen sich asynchron durch die gesamte Gesellschaft. Aber solche Statements verkaufen sich schlicht nicht so gut.

Der springende Punkt ist: Der gesellschaftliche Wert von Erwerbsarbeit hat sich verändert. Wir sind noch nicht bei der längst überfälligen Freizeitgesellschaft, doch das Ideal dieser Vorstellung hat Einzug genommen in den Arbeitsmarkt. Warum? Weil sich die Machtverhältnisse gewandelt haben. Das Arbeitskräfteangebot sitzt plötzlich am stärkeren Hebel, was sicherlich durch die Pandemie beschleunigt wurde, letztlich aber nur eine Frage der Zeit war. Beschäftigte werden händeringend gesucht, es geht nicht mehr nur um Fachkräfte, sondern Arbeitskräfte aller Art und in nahezu allen Branchen und Regionen. Sabbatical, Workation, Teilzeitverträge - inzwischen eher Standard als Ausnahme auf der Prioritätenliste im Bewerbungsgespräch. Die langfristige Folge davon wird übrigens das "solopreneurial chaos" sein, aber dazu an anderer Stelle mehr.

Digitalisierung und Bullshit Jobs und zurück

Allmählich ist es offensichtlich geworden, dass mit Mitteln der Digitalisierung Tätigkeiten rationalisiert werden. Arbeitsplätze fallen schrittweise weg, wo vorher noch echte Menschen Gegenstände von A nach B getragen oder Laute von A nach B getippt haben. In den USA mündet sowas oft direkt in Massenentlassungen, hierzulande sind Beschäftigte besser durch Gewerkschaften und Betriebsräte geschützt und werden dann umgeschult - oder haben genügend Zeit, sich neu zu orientieren. Was gut ist, oder immerhin nach unserem aktuellen Idealbild "human".

Ab circa 2035 erwarten wir jedoch einen interessanten Knick in der Produktivität - und zwar erstmals seit Beginn der Digitalisierung im positiven Sinne. Einer der Hauptgründe dafür ist die Entwicklung generativer KI, zu der auch ChatGPT gehört. Was dahinter steckt, müssen wir uns ein andermal genauer ansehen. Wichtig für dieses Thema: Es geht nicht mehr nur um humane Teams, sondern human-maschinelle-Teams. Darüber, wie sich das im Jahr 2030 anfühlen könnte, schrieb übrigens Frank Fischer einen tollen Beitrag im Band "Arbeitswelt und KI 2030" unter dem Titel: "Zukünftige Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI. 'Ich strebe danach, dass Du ich wohl fühlst', sagt mein KI-Kollege 2030".

Zwischenzeitlich gab und gibt es zahlreiche Bullshit Jobs (der Begriff ist dem gleichnamigen Buchtitel entliehen), oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), welche ihrerseits die Moral der Belegschaft mittelfristig erodieren. Und dann? Dann reduzieren massenhaft Beschäftigte ihre Arbeitszeit auf 80 oder 60 Prozent und starten ihre eigenen Projekte. Ob Blumenladen, Instagram-Influencer, VR-Haustier-Friseur im Metaverse oder auch Aushilfe bei der Müllabfuhr oder im Supermarkt gegenüber. Job 1 zahlt die Miete und Sozialversicherungen, Job 2 ist für die Selbstverwirklichung oder den körperlichen Ausgleich. Damit sollen Arbeitgeber erstmal zurechtkommen.

Umgekehrt mehren sich die Berichte, dass Bewerberinnen und Bewerber immer häufiger das Gespräch mit überzogenen Vorstellungen starten. Überspitzt formuliert: Uni-Absolvent:in, 23 Jahre jung, bewirbt sich beim mittelständischen Unternehmen auf einen Abteilungsleitungsjob. Klar, Dienstwagen und -handy gehören hier jawohl zum Standard, Erfahrung in der Personalverantwortung hat man nicht, aber das passt schon, 30 Urlaubstage halten Sie für menschenwürdig?! Tja. Wenn sich nur eine fachlich geeignete Person auf den Job bewirbt, gibt's keine Wahl. Und das Beste an der Geschichte: Das kann auch funktionieren, erfordert aber natürlich vollkommen andere Führung bzw. Coaching-Funktionen der übergeordneten Ebene.

Die Früchte der Bildungsrevolution

Nie konnten mehr Menschen weltweit lesen und schreiben als heute. Sicherlich gibt es immer auch Rebound-Effekte, wenn man sich die Kommentarspalte auf Facebook und Twitter anschaut oder politische Entwicklungen wie in Afghanistan. Doch der durchschnittliche Bildungsstand hat sich global in den letzten Jahrzehnten insgesamt extrem positiv entwickelt. Dazu gehört in den meisten Staaten auch die höhere Bildung, also Menschen mit abgeschlossener Lehre oder Studium. Ganzheitlich betrachtet ist das wundervoll! Aus Sicht eines stereotypen Unternehmens mit Standard-Aufbauorganisation ist diese Entwicklung allerdings ungünstig.

Denn spätestens jetzt wird vielen Menschen klar, dass sie in der "alten Welt" primär als Humanressource betrachtet und über Jahrzehnte sogar so bezeichnet wurden. Eins von vielen Produktionsmitteln. Rückwirkend ziemlich barbarisch. Wenn Sie diesen Beitrag lesen, sehen Sie das vermutlich auch schon so, aber ein großer Anteil von Arbeitgebern handelt immerhin noch exakt so, als wären die Menschen, die für den Geschäftszweck arbeiten, redende Maschinen. Dass sie auch denkende und fühlende Maschinen mit Biorhythmus sind, wird in den wenigsten Organisationen abgebildet.

Rückblickend könnte die aktuelle Dekade als Durchbruch der Arbeitskräfte in die Geschichtsbücher eingehen. Sie sind besser gebildet, besser vernetzt und organisiert, sitzen schließlich infolge der weiteren "Megatrends" am längeren Hebel für Personalgespräche. Die Revolution der Arbeiter bleibt für immer eine Vision (ob Utopie oder Dystopie, entscheidet die Leserschaft) - doch die Evolution der Arbeit erlebt aktuell einen Fortschritt.

Das Zielbild: Eine Organisation ohne Middle Management

Und hier kommen wir zum Interim Management.

Selbstverständlich gibt es eine große Bandbreite an Interim Managern (w/m/d), wer bis hierhin gelesen hat, ist mit der Jobbeschreibung vermutlich vertraut oder sogar selbst eine:r. Im Grunde übernehmen diese Menschen temporäre Mandate in Organisationen aller Art, um die Finanzen, das Personalmanagement oder die Nachhaltigkeitsstrategie umzukrempeln. Nicht immer eine beliebte Rolle, weil in der Regel auch Umbrüche oder das klare Mandat zur Umstrukturierung damit verbunden sind.

In meiner Keynote in Salzburg habe ich vor dem Hintergrund von Digitalisierung und Dekarbonisierung eine ähnliche Herleitung wie oben beschrieben. Hinzu kommt noch etwas Hintergrundwissen, unter anderem durch PROFORE-Partner Oliver Straubel (Holism), der sich und sein Team vor Interim-Mandaten seit einigen Jahren kaum retten kann - Tendenz steigend. Nur warum?

Die oben beschriebenen Entwicklungen zahlen mittelbar oder unmittelbar auf zwei der wichtigsten Unternehmenstrends unserer Zeit ein:

  1. Fehlende Motivation zur Verwaltung, also dem Middle Management: Menschen wollen mehr gestalten, Stichworte Wertewandel und Bildungsrevolution.
  2. Professionelle Prioritäten verschieben sich: Mehr denn je ist einer gut gebildeten Bevölkerungsschicht bewusst, dass ihr Handeln Konsequenzen in der realen Welt hat - Stichworte Nachhaltigkeit und Generationenvertrag.

Häufige Fragen lauten:

  • Wie setzt man eigentlich ESG um? (Nachhaltigkeitsreporting, -strategie, etc.)
  • Wie transformiere ich eine Organisation von Wasserfallhierarchie zu Agilität? Wie geht Holokratie, Soziokratie, und wie finde ich den für mich richtigen Mix?
  • Warum klappt Digitalisierung bei uns nicht? (Was kommt nach der Hard- und Software?)
  • Welche Personalstrategie passt für unsere Belegschaft, in der viele Beschäftigte bald in Rente gehen, viele Berufseinsteiger sind?
  • ... wie werde ich wirklich resilient, also zukunftsfähig?

Zur Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen fehlt innerhalb vieler Organisationen das Knowhow. Nicht ohne Grund gibt es immer mehr entsprechend spezialisierte Management-Studiengänge und -Fortbildungen, die mit dem alten Management brechen. Das alte Management wird dadurch nicht fundamental schlecht oder falsch, doch die Rahmenbedigungen haben sich geändert.

Das Zielbild findet ohne mittleres Management statt und vor allem mit mehr individueller Verantwortung, mehr Kreislaufgedanken (#circularbusinessmodel), mehr Gemeinwohlorientierung. Nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil es früher oder später anders nicht mehr erlaubt sein wird. Das begründet auch meine längst replizierte These eines Massensterbens von Unternehmen, umgekehrt entscheiden sich die vorausschauenden Unternehmen rechtzeitig für den Umbau der Organisation - im Zweifel mit Interim Management auf den entscheidenden Positionen.

Grafik von soulsana @ Unsplash.com


2023: Das Jahr der Hoffnung

Gute Nachrichten: Eine große Mehrheit (61 %) empfand das Jahr 2022 als gutes Jahr, die Aussichten auf 2023 sind sogar noch besser - hier erwarten 77 Prozent einen positiven Trend. Zumindest im Persönlichen. Das geht aus einer jüngst veröffentlichten Forsa-/RTL-Umfrage hervor. Mein Plädoyer für Hoffnung statt Nörgelei.

Das Ende der Nörgel-Kultur

In dieser Zwischenüberschrift steckt eine gehörige Portion Hoffnung.

Der Gedanke dazu kam mir heute während eines Live-Interviews im n-tv News Spezial über "Sorgen und Zuversicht". Im Gespräch fragte mich die n-tv Moderatorin Jessika Westen, wie es sein kann, dass die Einschätzungen der persönlichen und gesellschaftlichen Situation derart weit auseinanderklaffen.

Dafür sehe ich zwei Ursachen:

  1. Handlungsspielraum vs. Ohnmacht. Je größer ein Thema, eine Krise, umso weniger Gestaltungsoptionen haben wir als einzelne. Es liegt in der Natur der Sache, dass globale Probleme uns als Individuen überfordern. Sonst wären sie ja nicht global, wenn es einfache Lösungen für sie gäbe. Die aktuelle Situation multipler Krisen, oder die Omnikrise, wie es mancheine:r aus meinem Metier gern nennt, führt direkt zu einer kollektiven Überforderung und Pessimismus auf globalem Level.
  2. Kognitive Dissonanz: Je höher der durchschnittliche Lebensstandard einzelner Menschen, aber auch ganzer Gesellschaftssysteme ist, umso größer ist das Nörgelpotenzial. Gerade weil unser Gesundheitssystem insgesamt ziemlich gut ist, fällt uns auf, wenn es unter Volllast oder in puncto Innovationen hakt. Gerade weil unser Sicherheitsapparat ziemlich gut funktioniert, bemerken wir, wenn die Streitkräfte nicht im besten Zustand sind.

Und dann nörgeln wir.

Aber wie schon gesagt, der Blick in die Zukunft wird wieder optimistischer. Und damit sind wir bei zwei interessanten Auswirkungen der gerade genannten Ursachen für die Differenz zwischen individueller und gesellschaftlicher Zukunftssicht:

  1. Es wuchs in den letzten Monaten die Erkenntnis, dass es uns hier verdammt gut geht. Anders kann ich es kaum ausdrücken. Gerade in Relation zum Leid in der Welt, zu den Bildern aus Charkiw, Teheran, Aleppo oder Xinjang, bemerken wir insgeheim, wie sicher, verhältnismäßig geordnet und wohlhabend wir sind. Mit dieser Erkenntnis flüchten sich zwar immer noch einige in politische Extreme aus Angst, dass sie durch äußere Veränderungen Nachteile erfahren würden - doch tatsächlich hat auch dieser Trend zumindest in Deutschland langsam abgenommen (nicht überall). Mein Punkt ist: Ein Ende des Nörgeltums ist in Sicht!
  2. Multiple Krisen zeigen uns nicht nur die Endlichkeit unseres eigenen Aktionsradius auf, sondern auch den unserer Verwaltungseinheiten auf überregionaler Ebene. Allein und abgeschottet sind viele Probleme nicht mehr zu lösen, wir brauchen also viel mehr Kooperation. Und das ist historisch nichts komplett Neues, doch im Grad der Globalität der aktuellen Themen bemerkenswert - und anhand der gewachsenen Weltbevölkerung, die von kooperativen Staaten vertreten wird, dann doch historisch. Ich meine hier vor allem das Bündnis gegen Putin, das Bündnis gegen die Umweltverschmutzung und die menschengemachte Klimakrise, das Bündnis gegen Armut und Ungerechtigkeit in sämtlichen Dimensionen.

Besonders zum Jahresende sind viele von uns zur Ruhe gekommen, auch wenn es vielleicht nicht immer ruhig war. Doch kaum jemand entrinnt den vielen Rückblicken (ich bekenne mich schuldig!), unterhalten uns an Silvester über die schönen und weniger schönen Dinge des Jahres, nehmen uns Dinge fürs kommende Jahr vor.

Und dann reflektieren wir.

Relativierung dank Reflexion

Den Jahreswechsel habe ich deshalb wieder intensiv genutzt, um ausführlich über die Lage der Nation sowie meine eigene, persönliche Situation zu reflektieren. Mit etwas mehr Abstand erscheinen die kleinen und großen Sorgen manchmal etwas weniger dramatisch; ins richtige Verhältnis gesetzt wirken selbst globale Bedrohungen plötzlich weniger furchteinflößend.

Nun las ich heute die Ergebnisse der oben erwähnten Forsa-Umfrage, die zu sehr ähnlichen Ergebnissen kam wie meine eigene Umfrage über Zukunftsangst, die seit letztem Sommer läuft. Die Kernerkenntnis: Mit Blick auf die gesellschaftliche Situation sowie die komplexen Probleme unserer Zeit blicken sehr viele Menschen eher oder sehr pessimistisch in die Zukunft. Die Einschätzung der persönlichen und beruflichen Situation ist das exakte Gegenteil.

Nach einigen Jahren der gefühlten Dauerkrise und zahlreichen Zoom-Konferenzen, in denen wir die Probleme der Welt im Großen und Kleinen diskutiert, seziert und das (Nicht-)Handeln der anderen kritisiert haben, ist mir persönlich die Lust am Nörgeln vergangen. Natürlich ist es einfach und angenehm, über das Schlechte in der Welt zu philosophieren, seinen mehr oder weniger durchdachten Senf der Debatte beizusteuern und zu fordern, dass sich etwas ändern muss.

Doch wenn alle sagen, jemand müsse mal etwas tun, tut am Ende niemand etwas.

Ich, gerade eben.

Das ist in etwa so trivial, aber fundamental wichtig, wie die Falschheit der allseits beliebten Floskel: Wenn jede:r an sich denkt, ist an jede:n gedacht. Also habe ich nachträglich einen Neujahrsvorsatz formuliert:

Dieses Jahr wird nicht mehr genörgelt!

Die Renaissance der Hoffnung

Wenn man von einigen wenigen absieht, blicken die Menschen wieder deutlich hoffnungsfroher ins nächste Jahr, wie unter anderem aus der Forsa-Umfrage hervorgeht. Das hat mich überhaupt nicht überrascht, eher gefreut. Zwar fehlt nach wie vor eine verbindende Vision, die allen gerecht werdende Mission und selbst für einen kleinsten, gemeinsamen Nenner fehlt aktuell die Zeit. Doch selbst diese Tatsache kann ich positiv deuten: Wir sind pluralistisch und alle haben eine Stimme. Kein Wunder, dass es keinen Konsens gibt!

Man muss erst hinfallen, um aufstehen zu können.

Vielleicht mussten wir erst ein Stück unserer Freiheiten sowie unseres Wohlstands temporär einbüßen, um genau diesen Lerneffekt, den wir sonst von Kleinkindern kennen, als Kollektiv zu erleben. Vielleicht liege ich falsch, doch möglicherweise liegt in diesem Momentum ein beispielloses Potenzial, auf das wir und unsere Nachkommen in ein paar Jahrzehnten stolz zurückblicken.

Mir fallen ad hoc tausende Gegenargumente ein, doch ich halte mich an meinen Vorsatz und lasse sie hier nicht zu Wort kommen. Außerdem lade ich Sie und euch herzlich dazu ein, es mir gleich zu tun. Was soll schon schiefgehen?

Die Neu(er)findung des Lösungsdenkens

Es gibt Menschen, die behaupten, es gäbe keine Probleme, sondern nur Herausforderungen. Das sehe ich anders: Es gibt durchaus Probleme, die man auch benennen muss, damit ein Bewusstsein entsteht, um sie lösen zu können. Ob nun Problem oder Herausforderung, ich komme nach viel Grübeln über meine und andere Umfragen zu folgendem Schluss:

Wir haben das Tal der Nörgelei verlassen und sind auf dem Weg der Besserung.

Dadurch werden die vielen Krisen, Kriege, Ungerechtigkeiten und Probleme der Welt nicht morgen verschwunden sein. Es braucht also nicht nur Geduld und Aktivismus, sondern mittelfristig auch ein gutes Gespür für die tatsächlichen Fortschritte.

Und genau dieses Gespür nehme ich mit ins junge Jahr. Ich freue mich auf inspirierende Gespräche und lösungsorientierte Projekte auf vielen Reisen, deren Zielort ich jetzt noch nicht kenne.

Ohne Nörgeln. Versprochen!

Zur Forsa-/RTL-Umfrage

Photo by Moritz Knöringer on Unsplash


Rückblick 2022 + Ausblick 2023

Ein aufregendes Jahr geht zuende. Einen professionellen Rückblick habe ich schon bei Linkedin geschrieben. Für meinen Podcast "Im Hier und Morgen" habe ich nun auch eine allgemeinere Ausgabe im Kolumnen-Stil verfasst. Die Audiospur ist ab dem 22.12.2022 um 4 Uhr morgens verfügbar, hier ist die Lesefassung mit mehr Hintergründen und steileren Thesen zur wirtschaftlichen Zukunft im Jahr 2023.

RÜCKBLICK 2022: Das Jahr der Doppelmoral

Dieses Jahr könnte man zusammenfassen mit den Kernthemen, zu denen ich am häufigsten von den Medien für Interviews angefragt wurde:

Ukraine-Krieg

Russlands Zar Wladimir der Putin hat das getan, was ich im letzten Jahresausblick (Spotify, Apple) angekündigt habe: er hat 100.000e seiner Soldaten in den Tod geschickt unter dem Vorwand, dort Nazis zu bekämpfen. Dass das Quatsch ist, wissen wir. Dass das vor den Menschengerichtshof und er in den Knast gehört, darin stimmen auch viele überein.

In verschiedenen Formaten wurde ich dazu befragt, was der Krieg mit uns in Europa und mit der Zukunftsforschung macht. Als Sozialwissenschaftler fand ich es spannend, die Doppelmoral in Diskussionen und auch die Ahnungslosigkeit in öffentlichen Debatten unter die Lupe zu nehmen. Dass der Angriffskrieg nur von der extremen Linken und Rechten zum Teil gerechtfertigt wird und wurde, verwundert nicht - das ist deren Rolle im Parlament und der Öffentlichkeit. Doch wie über Geflüchtete gesprochen wird, plötzlich diejenigen aus der Ukraine überwiegend gern aufgenommen wurden, jene aus Syrien oder Afghanistan regelmäßig abgewiesen wurden, macht mich wütend. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen - ich bin mir nicht sicher, ob das die durchschnittlich eher weiße, mittel- bis alte Talkshow-"Elite" überhaupt verstanden hat.

Die Zukunftsforschung wiederum sieht sich mal wieder bestätigt in ihrer Rolle der Kassandra: Wir warnen und regen dazu an, Maßnahmenpläne für den Fall X vorzubereiten, doch nichts passiert. Natürlich gab es im Verteidigungsministerium und bei der Bundeswehr die Überlegungen, doch mit Überlegungen allein verteidigt man noch kein Land oder Kontinent. Insofern habe ich mich sehr über die Veröffentlichung der Fraunhofer-Studie für die Bundesregierung über strategische Vorausschau an meinem Geburtstag gefreut. Langsam nimmt das Thema Fahrt auf und ich freue mich sehr, im Dunstkreis der akademischen Zukunftsforschung nah dran sein zu dürfen.

Wann der Ukraine-Krieg vorbei geht, steht in den Sternen. Darüber erlaube ich mir auch keine Prognose, das widerspricht den Grundsätzen der seriösen Zukunftsforschung. Klar ist, dass wir vor Ablauf der nächsten sechs Monate nicht einmal darüber nachdenken können, wann der Wiederaufbau der Ukraine anfangen kann. Ob dann alles ruhig ist, wage ich zu bezweifeln.

Klimawandel und Klimaproteste

Immer mehr Menschen spüren die Auswirkungen des Klimawandels, auch wenn Wetterextreme nicht immer unbedingt damit zusammenhängen müssen. Doch die höhere Frequenz und Intensität dieser Extreme bestätigt die schlimmsten Annahmen der Forschenden des Club of Rome Berichts vor genau 50 Jahren: Die Menschheit steuert sich selbst in eine Klimakatastrophe, das 1,5°-Grad-Ziel ist nicht mehr zu erreichen.

Entsprechend gibt’s auch immer mehr Proteste. Dazu war ich zum Beispiel im November live bei n-tv eingeladen, um die Aktionen der Klimakleber einzuordnen. Meine klare Aussage: Die inhaltlichen Punkte der "letzten Generation" teile ich ausdrücklich. Die Protestform wiederum ist gewöhnungsbedürftig, aber immerhin in der Regel ohne Gewalt an Menschen oder anderen Lebewesen. Der fingierte Fall einer verstorbenen Radfahrererin in Berlin während einer Klebe-Aktion war die Höhe der Doppelmoral, denn offensichtlich finden wir es okay, wenn Menschen von Lastwagen und anderen Fahrzeugen zu Tode gefahren werden - wenn aber dann ein Klimaprotest mutmaßlich zu einem verspäteten Eintreffen der Rettungskräfte beitragen, sind wir mal wieder wütend. Nur auf die Falschen!

In der ganzen Debatte wünsche ich mir - wie so oft - etwas mehr Fähigkeit zum Perspektivwechsel. Daran arbeite ich unermüdlich weiter...

Elon Musks Übernahme von Twitter

Völlig grundlos hat der damals noch reichste Mann der Welt, Elon Musk, für über 40 Mrd. Dollar den finanziell angeschlagenen Kurznachrichtendienst Twitter gekauft, in Windeseile kaputt gespielt und sucht nun einen Nachfolger. Wie man in so kurzer Zeit zum Gespött der Welt werden kann und gleichzeitig auch den Börsenwert des einzigen wirklich rentablen Unternehmens im Portfolio vernichten kann (aktuell über 40%), ist mir ein Rätsel.

Warum steht das bei den Top 3 Themen? Weil sich um die ganze Twitter-Tragödie herum gezeigt hat, wie einflussreich die "sozialen" Medien inzwischen geworden sind. US-Präsident Joe Biden lässt keinen Zweifel daran, dass die Vorgänge bei Twitter sehr genau beobachtet werden. Immerhin ist das Medium neben Facebook besonders in Schwellenländern nachweislich ein Katalysator für soziale Bewegungen und deshalb häufig gesperrt (wie beispielsweise in China), umgekehrt schlägt sich Meta (Facebooks Mutterkonzern) mit mehreren Klagen herum, die eine Mitschuld an Gewalttaten und Revolten, bis hin zum Sturm aufs US-Kapitol, unterstellen.

Das jüngere, dezentrale Netzwerk Mastodon könnte den Platz von Twitter einnehmen. Dieses basiert mehr auf den Grundgedanken das Web3, Heise.de hat darüber einen hilfreichen Artikel veröffentlicht. Eine Kernerkenntnis: Die Macht und auch der monetäre Gewinn wird nicht mehr zentralisiert in den Zentralen der großen Social Media-Firmen gebündelt, sondern dorthin verteilt, wo die User gehen. Mein Profil heißt Gondlach@mastodon.lol.

Dahinter liegt also eine größere Entwicklung, die viel über den Zustand des Silicon Valley aussagt. In der ausgehenden Pandemie haben einige Konzerne festgestellt, dass sie sich verzockt haben - andere, wie Meta und Microsoft, haben langfristig investiert und logischerweise geringere Gewinne angesichts der massiven Investitionen.


Globale Schlaglichter 2022

Aus globaler Sicht fehlen hier noch die Revolution im Iran, die Aggressionen aus China gegenüber Taiwan sowie das blutige Vorgehen gegen Lockdown-Proteste, die Wahlen in Brasilien und Italien, zwei neue internationale Bündnisse gegen EU und USA – nämlich rund um die OPEC-Staaten und das ASEAN-Bündnis. Ach, war eigentlich dieses Jahr diese Fußball-WM?

Nochmal für den deutschsprachigen Raum: Wir stritten über Corona-Maßnahmen, Gender-Wahnsinn, zu hohe Belastungen für Rentner:INNEN und kulturelle Aneignung – Fußnote: Dreadlocks gab es auch schon bei Wikingern, aber das nur nebenbei –, weiter stritten wir über angemessene Strafen für Klimaterrorist:innen mit Kartoffelbrei und eine beispiellose Razzia gegen Reichsbürger, die von einem echten Prinzen angeführt wurde.

Wir nörgelten über steigende Preise bei Aldi, Schimmelpilz in Pistazien, zu lasche Corona-Regeln, zu strenge Corona-Regeln, eine erfolgreichslose Ampel-Koalition, volle Züge und Busse zur Zeit des 9 Euro Tickets, zu viel Sonne im Sommer, zu viel Schnee im Dezember und vieles mehr. Dass das Gesundheitssystem im Eimer ist, ist nichts Neues, aber dieses Jahr dann leider auch für Kinder bestätigt.

Und lokal: Ich bin bei der Vorbereitung für diese Podcastfolge fast schrei-lachend vom Stuhl gekippt, als ich folgende Zeilen beim MDR las:

„'Oscar der Wissenschaft' und Nobelpreis: Sächsische Max-Planck-Institute räumen ab  … Mit dem DFB-Pokal hat RB Leipzig 2022 den ersten nationalen Fußball-Titel nach Sachsen gebracht –  die wohl noch wichtigeren Titel hat dieses Jahr aber das Max-Planck-Institut eingeheimst. Zunächst gab es für Prof. Svante Pääbo den Nobelpreis.“

MDR online

... der Vergleich hinkt, aber hey, man muss ja ein breites Publikum ansprechen.

Zukunftsangst ...

Im Jahr der Zeitenwende, wie es unser Oberschlumpf Olaf Scholz bezeichnet hat, habe ich aus Sicht der Zukunftsforschung paradoxe Strömungen wahrgenommen. Auf der einen Seite die Resignation und Zukunftsangst: NO FUTURE FOR YOU, NO FUTURE FOR ME!

... gegen Aufbruchstimmung!

Auf der anderen Seite eine Renaissance des Merkelschen „wir schaffen das“! Wir schaffen es, die Geflüchteten Familien aus der Ukraine aufzunehmen und zu versorgen. Wir schaffen es, den menschengemachten Klimawandel wenigstens etwas einzudämmen, sodass nicht das Worst Case Szenario eintritt – und damit meine ich nicht die COP27 in Ägypten, sondern die zahlreichen Initiativen, Startups, Aktivista und, ja, auch Gesetzgebung und kürzlich das kanadische Abkommen zum globalen Umweltschutz.

Über das Thema Zukunftsangst habe ich im Sommer 2022 eine Umfrage gestartet und ein interessantes Bild aufgedeckt: Im privaten und beruflichen Bereich ist die Mehrheit der Befragten eher oder sehr zuversichtlich, "nur" mit Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen steigt der Pessimismus. Meine Einschätzung ist, dass der Groschen gefallen ist und sich im nächsten Jahr eine deutlichere Richtung herauskristallisiert, wohin die Transformation unserer Systeme sich bewegen muss.


Ausblick 2023 mit Zwinkersmiley

Hier eine kleine subjektive Auswahl wichtiger Themen für das kommende Jahr:

  • Bürgergeld löst Hartz IV ab. Wie genau die ganze Aktion nicht im Chaos enden soll, konnten mir mehrere hochrangige Menschen in Arbeitsagenturen nicht sagen, aber hey, wir sind gespannt. Schlimmer kann’s kaum werden, also Kopf hoch, liebe Arbeitssuchende und Sozialschmarotzer:innen!
  • Für die nicht ganz so Geächteten gilt: die Midi-Job-Grenze wird von 1600 auf 2000 Euro angehoben und folgt damit dem Mini-Job, der ja seit Kurzem nicht mehr 450-Euro, sondern 520-Euro-Job heißt.
  • Das Lieferkettengesetz tritt in Kraft – man darf also jetzt als Unternehmen nicht mehr bewusst Sklaven beschäftigen, auch nicht die Zulieferer. Und ihre Chemieplörre dürfen die dann auch nicht mehr einfach so in den Fluss kippen, sondern müssen das endlich ordentlich verschleiern.
  • Einwegbecher und -geschirr gehört bald in die Geschichtsbücher, stattdessen werden sie wohl auch bald vom allseits beliebten Pfand-System abgelöst. Dass das der erste Schritt in eine echte Kreislaufwirtschaft sein könnte, in der der Kaffeebecher nicht mir gehört, sondern dem Café, werden viele Wutbürger:innen erstmal nicht verstehen.
  • Beim Kroatien-Urlaub können wir nun endlich die angesammelten Kuna zuhause lassen, denn: der Euro wird dort eingeführt. Wenn ich nicht selbst letztes Jahr dort gewesen wäre, hätte ich nicht gewusst, dass das heute noch nicht geht. Juhu.
  • Im Mai wird dann die neue Queen in Großbritannien gekrönt. Total fortschrittlich, sie ist nämlich ein Mann namens Charles III.
  • Im November schauen wir noch mehr als sonst nach Polen, denn dann wird dort ein neues Parlament gewählt, das möglicherweise einen weiteren Rechtsruck in Europa untermauern, oder aber verhindern könnte. Wobei sowas gerade für Polen eine andere Nummer ist, aber das ist eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll.
  • Es stehen einige Ankündigungen in den Startlöchern, zum Beispiel gibt’s sicherlich ein neues iPhone, ein neues Google Pixel, ein paar neue Games, etwas mehr Furore im Metaverse und anderen virtuellen Welten. Die Liste der wahrscheinlichen Ereignisse ist zu lang für dieses Format, wichtiger ist: Es wird wieder viel passieren und darauf kann man sich einstellen. Über einiges werde ich bei GIGA.de Gastbeiträge wie den jüngst veröffentlichten über Zukunftsangst schreiben, aber das nur nebenbei.

Die wichtigsten Themen 2023

Mit Blick auf die globalen Herausforderungen und Krisenherde werden nächstes Jahr folgende Themen an Bedeutung gewinnen - in den Medien, in Unternehmen und der Gesellschaft:

Nachhaltigkeit: Vom Buzzword zu regenerativen Zukünften

Es gibt sie, die Ansätze für eine Lebens- und Organisationsweisen, um die Menschheit im Einklang mit dem Planeten zu navigieren. Die Art, wie wir konsumieren, wird sich ändern müssen; die Rohstoffe, die wir verbrauchen, werden immer stärker in Kreisläufen gedacht werden, denn von begrenzten Ressourcen auf Müllhalden haben wir alle nichts. Technologien können dabei helfen, leichtere Fahr- und Flugzeuge zu produzieren, die Treibstoffe könnten wenigstens etwas weniger umweltschädlich sein. Wir stecken in dem wohl größten Umschwung der Menschheit und alle müssen mitmachen. Ich verstehe das alles als Chance, nicht als Einbuße von Lebensqualität.

Der Diskurs rund um "Klimakleber" ist symptomatisch für jede Zeitenwende. Natürlich regt sich Widerstand gegen ausbleibende Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel, natürlich regt sich dann auch Widerstand der konservativen "ich will, dass alles so bleibt"-Mentalität durch alle Lager der Gesellschaft. Für Unternehmen bleibt allerdings keine Wahl: Durch das Lieferkettengesetz und immer schärfere ESG-Auflagen (ecological and social governance) müssen sie Emissionen sparen, sozialere Bedingungen ermöglichen und so ihren Beitrag zu einer lebenswerten Welt leisten. Auch an dieser Stelle wird sich schon bald die Spreu vom Weizen trennen - ein nennenswerter Anteil der Insolvenzen der kommenden Jahre dürfte infolge nicht erfüllter Nachhaltigkeitsziele geschehen.

Virtuelle Immersion: Vom Metavse-Flop zu sinnvoller Ergänzung der Realität

Warum gibt es immer noch Meetings, zu denen die Teilnehmenden quer durch die Republik reisen? Weil die Technik, die wir nutzen, noch nicht ausgereift ist! Zoom, Teams, Webex, Skype und all die anderen sind ja nette Ansätze. Doch 2D-Bildchen und oft schlechte Audioqualität reichen nicht aus, um die Immersion zu schaffen. Was mit den verschiedenen Metaverse-Ansätzen verfolgt wird, ist die komplette Verschmelzung von realer und virtueller Sphäre. So könnte mein Avatar in einem Meetingraum am Tisch mit anderen Avataren sitzen, über Messen schlendern oder eine Keynote halten. Das Ganze dann fotorealistisch und in Echtzeit. "Zoom 4.0" hat Stephan Bauer von Microsoft das in Podcast-Episode #087 (Apple, Spotify) genannt.

Anfang 2022 diskutierte ich mit dem damaligen NRW-Landesjustizminister über die Gefahren und Chancen virtueller Welten. Denn natürlich werden im Web3 nicht plötzlich alle Probleme des "social" web gelöst - Mobbing, Betrug, Hatespeech, Cyber-Kriminalität im Allgemeinen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns damit auseinandersetzen. Auch oder gerade die Unternehmen! Im September riet ich beispielsweise einer Bank dazu, eine Filiale im Metaverse zu eröffnen, was belächelt wurde. Inzwischen sind die Dekabank und Deutsche Bank vor "Ort", der Pionier-Vorteil ist also vorbei. Aber vielleicht ist das ja in Ihrer Branche noch anders?

Dezentralisierte Arbeit: Vom Fachkräftemangel zu globaler Kollaboration

Inzwischen kann ich in der Debatte um den Fachkräftemangel nur noch zynisch reagieren. Wir haben kein Problem mit der Anzahl verfügbarer Arbeitskraft, sondern mit der Offenheit der Arbeitgeber! Es stimmt: Die Ansprüche der Beschäftigten sind im Vergleich zu 2019 enorm gewachsen und nein, das hat nichts mit der Schneeflocken-Generation Z zu tun. Das ist alles Unsinn und ich möchte davon abraten, bunte Vorträge und Bücher über Gen Z oder Alpha zu kaufen - dass das ein Mythos ist, wurde bspw. vom Soziologen Martin Schröder von der Uni Marburg ("Generationenmythos") fundiert untersucht.

Derweil sucht die Mehrheit der Arbeitgeber angeblich verzweifelt nach hochqualifiziertem Personal, akzeptiert oft aber nur Bewerbungen in deutscher Sprache. Am besten per Post und mit tabellarischem Lebenslauf. In Zeiten von Xing und Linkedin wirkt das nicht nur anachronistisch, sondern geht schlicht meilenweit am Thema vorbei - setzen, 6! So bekommen wir die Einwanderung nicht vernünftig kanalisiert, wenn die Wirtschaft nicht mitzieht und dabei mithilft, Integration in die deutsche Gesellschaft zu gestalten. Ja, das bedeutet Mehrausgaben der Personalentwicklung, möglicherweise längere Akklimatisierung zwischen Bestandspersonal und den neuen Fachkräften. Aber es wird sich lohnen.

Und wer noch den Blick über den Tellerrand wagen möchte, gewöhnt sich schon mal an den Gedanken, mit immer mehr Freelancern aus aller Welt zusammenzuarbeiten. Seit einigen Jahren vertrete ich die These, dass im Jahr 2030 bis zu 50 Prozent der Beschäftigten auch einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen werden. Der Hauptjob wird zwar in Festanstellung bei 60-80 Prozent ablaufen, der dient aber nur der Grundversorgung, Miete, Sozialversicherungen etc. Den Rest der Zeit möchten die Menschen mit mehr Sinnhaftigkeit nachgehen und sich möglicherweise einen weiteren Urlaub oder andere Wünsche finanzieren. Für Arbeitgeber heißt das nichts anderes als die Notwendigkeit sehr viel fluiderer HR-Strukturen. Und wozu soll ich überhaupt davon ausgehen, dass die besten Programmierer:innen in Deutschland wohnen möchten, egal wo sie geboren wurden? Ist das die Arroganz der Deutschen als Gegenpol zur German Angst, die uns hier selbst im Wege steht?

Tja, das Fazit aus all diesen Beobachtungen ist simpel: Schon 2023 werden die ersten Arbeitgeber quer durch alle Sektoren und Branchen vom Markt verschwinden, die sich nicht den neuen Gegebenheiten anpassen können.


Zukunftsforscher-Wunschliste für 2023

Meine globalgalaktische Wunschliste für das nächste Jahr:

  • Der Ukraine-Krieg endet und Putin verschwindet von der Bildfläche, gelinde ausgedrückt. Die Menschen in der Ukraine können mit dem Wiederaufbau beginnen und das westliche Bündnis bleibt trotzdem stabil, aber auch offen.
  • Kernfusion kommt wieder einen guten Schritt voran, wichtiger aber der Ausbau von Photovoltaik und Windkraft – Grüße gehen auch raus an die Energiespeicher von JenaBatteries und anderen. Übrigens, schlagt doch mal der deutschen Bahn oder der katholischen Kirche vor, eure Energiespeicher unter ihre Flächen zu pflastern. Sind immerhin die größten Grundbesitzer hierzulande. Nur so ne Idee.
  • Überall, wo Wahlen anstehen, wünsche ich mir reihenweise Schlappen für extremistische Vollidiotenparteien. Immerhin ist die Welt mal wieder nicht untergegangen und die große Weltverschwörung hat sich wieder nicht als richtig erwiesen, das müssen die Leute doch langsam mal merken!

Zu guter Letzt wünsche ich allen, die das hier lesen, erholsame, besinnliche Feiertage. In diesem und auch jedem anderen Jahr. Auch wenn’s im Zusammentreffen von Familie und Angehörigen immer mal knallt, seid bitte gut zueinander und im Zweifel lieber mal tief Luft holen und das Thema wechseln.

Und dann: Auf in ein aufregendes, neues Jahr! Dafür wünsche ich Gesundheit, Glück und Erfolg – und alles, was ihr euch sonst noch wünscht.

PS: Wer noch ein hilfreiches Tool für die Reflexion des letzten und nächsten Jahrs sucht, dem empfehle ich den YearCompass - kostenlos als PDF zum selbst Ausfüllen am Rechner oder auch ausgedruckt.


Automatisierte Fake News: Wie schütze ich mich und meine Familie vor KI-generierter Desinformation?

Spätestens mit der Veröffentlichung von ChatGPT ist künstliche Intelligenz in der Gesellschaft angekommen: Das Sprachmodell erstellt automatisch echt wirkende Texte. Das ist fantastisch, aber auch gefährlich.

Die meisten von uns profitieren seit Jahren von künstlicher Intelligenz: Bessere Empfehlungen bei der Routenplanung, schnellere Abwicklung beim Online-Shopping oder immersive Endloswelten im Gaming. Meist haben wir es dabei mit maschinellem Lernen zu tun, welches auf wahnsinnig vielen Lerndaten basiert und weitgehend selbstständig neue Probleme auf dieser Grundlage lösen kann. Viele Anwendungszwecke in der Wirtschaft und Verwaltung befinden sich auch in dem Band "Arbeitswelt und KI 2030".

Inzwischen sind auch die KI-Sprachmodelle wie GPT-3 (Generative Pre-trained Transformer 3) sehr gut geworden. Vielleicht sogar zu gut? Einige KI-Texte lassen sich kaum oder gar nicht mehr von menschlichen Texten unterscheiden. Das wirft viele Fragen auf.

KI-Sprachmodelle: Pro und Contra

Einerseits ist das eine großartige Entwicklung: Die künstlichen Redaktions-Helferlein unterstützen Unternehmen bei standardisierten Anfragen im Kundendienst, schreiben Produkttexte oder Beiträge über das Wetter, Sportergebnisse und Horoskope. Sogar Computerspiele können so relativ einfach erstellt oder zumindest geskriptet werden, wie das Beispiel eines 11-jährigen Harry Potter Fans zeigt. Das spart viel Zeit und Geld, immer wenn wiederkehrende Muster genutzt werden können.

Andererseits birgt die Möglichkeit künstlicher Schreiberlinge das Risiko, dass Desinformation und Lügen in großem Stil verbreitet werden – weitgehend unreguliert und verfügbar für ein Milliardenpublikum. Denn die KI ist, anders als der Name suggeriert, nicht intelligent, sondern ein künstlicher Sklave menschlicher Eingabe. Im schlimmsten Fall sind die Ergebnisse diskriminierend und werden damit zur realen Bedrohung für uns alle.

Anstatt über diese Herausforderung lange zu philosophieren, habe ich deshalb die KI ChatGPT selbst befragt, wie wir am besten mit ihr umgehen können, ob wir die Klimakrise lösen und ob sie viele Jobs ersetzen wird.

Lest selbst im Interview, was sie zu ihrer Verteidigung zu sagen hat.

Interview mit ChatGPT: Wie schütze ich mich vor Fake News?

Kai: Warum ist GPT-3 so wichtig für unsere Zukunft?

ChatGPT: GPT-3, oder Generative Pretrained Transformer 3, ist ein modernes Sprachverarbeitungsmodell, das von OpenAI entwickelt wurde. Es wird als wichtig angesehen, weil es in der Lage ist, menschenähnlichen Text zu generieren und eine breite Palette von Aufgaben zur Verarbeitung natürlicher Sprache mit beeindruckender Genauigkeit auszuführen. Dies macht es zu einem wertvollen Werkzeug für eine Vielzahl von Anwendungen, von der Sprachübersetzung und -zusammenfassung bis hin zum maschinellen Lernen und zur künstlichen Intelligenz.

Wird die Menschheit die Klimakrise lösen?

Es ist schwierig, die Zukunft mit Sicherheit vorherzusagen, aber es ist klar, dass die Bewältigung der Klimakrise erhebliche Anstrengungen von Regierungen, Organisationen und Einzelpersonen auf der ganzen Welt erfordern wird. Die Maßnahmen, die wir in den kommenden Jahren ergreifen, werden entscheidend dafür sein, ob wir in der Lage sind, diese Krise erfolgreich zu bewältigen und die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Es wird gemeinsamer Anstrengungen und der Bereitschaft bedürfen, schwierige Entscheidungen zu treffen, aber ich glaube, dass es der Menschheit möglich ist, zusammenzukommen und die notwendigen Schritte zur Bewältigung der Klimakrise zu unternehmen.

Wer muss sich bezüglich GPT-3 Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen?

GPT-3 ist ein leistungsfähiges Werkzeug, das das Potenzial hat, viele Aufgaben zu automatisieren, die bisher von Menschen ausgeführt wurden. Wie bei jedem technologischen Fortschritt ist es möglich, dass der Einsatz des GPT-3 in bestimmten Branchen zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führen könnte. So könnte das GPT-3 beispielsweise dazu verwendet werden, bestimmte Aspekte des Kundendienstes oder der Dateneingabe zu automatisieren, was sich möglicherweise auf die Beschäftigten in diesen Bereichen auswirken könnte. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Technologie auch das Potenzial hat, neue Arbeitsplätze und Branchen zu schaffen, und es ist wahrscheinlich, dass der Einsatz des GPT-3 auch zu neuen Möglichkeiten führen wird. Letztendlich wird die Auswirkung des GPT-3 auf den Arbeitsmarkt davon abhängen, wie es eingesetzt wird und wie sich Einzelpersonen und Unternehmen an seine Möglichkeiten anpassen.

Warum ist es so schwierig, Fake News zu erkennen?

Es gibt mehrere Gründe, warum es schwierig sein kann, Fake News zu erkennen. Ein Grund ist, dass Fake News oft irreführend oder sensationsheischend gestaltet sind, was sie ansprechender oder aufmerksamkeitsstärker machen kann als sachliche Nachrichten. Dies kann es den Menschen erschweren, die Informationen kritisch zu bewerten und zu erkennen, dass sie falsch sind. Darüber hinaus sind Fake News oft so gestaltet, dass sie wie seriöse Nachrichten aussehen und sich auch so anhören, so dass es selbst für diejenigen, die sich bemühen, wachsam zu sein, schwierig sein kann, sie von echten Nachrichten zu unterscheiden. Schließlich kann die rasche Verbreitung von Fake News in den sozialen Medien und auf anderen Online-Plattformen es den Menschen erschweren, die neuesten Entwicklungen zu verfolgen und sicherzustellen, dass sie ihre Informationen aus zuverlässigen Quellen beziehen.

Warum sind automatisierte Textroboter wie GPT3 wichtig für die europäische Wirtschaft und Gesellschaft?

Automatisierte Textroboter wie GPT-3 sind aus mehreren Gründen wichtig für die europäische Wirtschaft und Gesellschaft.

Ein Grund ist, dass diese Bots dazu beitragen können, viele mühsame und zeitaufwändige Aufgaben zu automatisieren, die derzeit von Menschen ausgeführt werden. So können GPT-3 zum Beispiel automatisch Antworten auf Kundenanfragen generieren, große Textmengen zusammenfassen oder Dokumente in verschiedene Sprachen übersetzen. Dadurch können Unternehmen und Organisationen Zeit und Ressourcen sparen und effizienter und effektiver arbeiten.

Ein weiterer Grund ist, dass der Einsatz von automatisierten Textbots wie GPT-3 dazu beitragen kann, die Qualität und Genauigkeit der erstellten Texte zu verbessern. So kann GPT-3 beispielsweise auf große Mengen hochwertiger Texte trainiert werden, um grammatikalisch korrekte und kohärente Ausgaben zu produzieren. Dies kann besonders bei Aufgaben wie der Sprachübersetzung nützlich sein, bei denen es auf Genauigkeit ankommt.

Schließlich kann der Einsatz von automatisierten Textrobotern wie GPT-3 die Entwicklung neuer Technologien und Branchen unterstützen. GPT-3 kann beispielsweise als Baustein für andere Systeme der künstlichen Intelligenz, wie Chatbots oder virtuelle Assistenten, verwendet werden. Dies kann dazu beitragen, Innovationen voranzutreiben und neue Beschäftigungsmöglichkeiten im Technologiesektor zu schaffen.

Insgesamt hat der Einsatz von automatisierten Textbots wie GPT-3 das Potenzial, der Wirtschaft und Gesellschaft viele Vorteile zu bringen. Durch die Automatisierung mühsamer Aufgaben, die Verbesserung der Textqualität und die Unterstützung der Entwicklung neuer Technologien kann GPT-3 dazu beitragen, Unternehmen effizienter und effektiver zu machen und Innovation und Wirtschaftswachstum zu fördern.

Aber sind Sie nicht auch der Meinung, dass die automatische Texterstellung gefährlich sein kann?

Die automatische Texterstellung hat zwar viele potenzielle Vorteile, kann aber auch gefährlich sein, wenn sie nicht sorgfältig eingesetzt wird. Eine der Hauptgefahren der automatischen Texterstellung besteht darin, dass sie zu ungenauen oder irreführenden Ergebnissen führen kann. Wenn zum Beispiel ein Sprachmodell wie GPT-3 auf voreingenommenen oder unzuverlässigen Daten trainiert wird, kann es Ausgaben erzeugen, die diese Voreingenommenheit widerspiegeln. Dies kann schwerwiegende Folgen haben, wenn die Ergebnisse zur Entscheidungsfindung oder zur Information der Öffentlichkeit verwendet werden.

Eine weitere potenzielle Gefahr besteht darin, dass die automatische Texterstellung zur Erstellung von Fake News oder anderen Formen von Fehlinformationen genutzt werden kann. Da diese Systeme Texte produzieren können, die nur schwer von von Menschen geschriebenen Texten zu unterscheiden sind, können sie dazu verwendet werden, falsche oder irreführende Inhalte zu erstellen, die darauf abzielen, Menschen zu täuschen. Dies kann negative Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes haben, da das Vertrauen in die Medien und andere Informationsquellen untergraben werden kann.

Auch wenn die automatische Texterstellung viele potenzielle Vorteile bietet, ist es wichtig, diese Werkzeuge verantwortungsvoll und sorgfältig einzusetzen, um potenzielle Gefahren zu vermeiden. Dazu gehört die sorgfältige Auswahl der Daten, die zum Trainieren der Modelle verwendet werden, die Anwendung geeigneter Schutzmaßnahmen, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse sicherzustellen, und die Wachsamkeit gegenüber Anzeichen von Fehlinformationen oder anderen Gefahren.

Wenn man also GPT-3 und andere KI-Chatbots verwendet, sollte man auch dafür sorgen, dass die Ergebnisse nicht vor der Bearbeitung veröffentlicht werden?

Es ist immer wichtig, Texte, die von GPT-3 oder anderen KI-Chatbots erzeugt werden, vor der Veröffentlichung sorgfältig zu überprüfen und zu bearbeiten. Wie bereits erwähnt, sind diese Systeme nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert wurden, und sie können ungenaue oder verzerrte Ergebnisse produzieren, wenn die Trainingsdaten nicht sorgfältig ausgewählt wurden. Darüber hinaus können diese Systeme manchmal grammatikalisch inkorrekte oder schwer verständliche Ergebnisse liefern, so dass es wichtig ist, die Ergebnisse vor der Veröffentlichung sorgfältig zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern.

Generell ist es immer ratsam, Texte, die von KI-Chatbots generiert werden, mit dem gleichen Maß an Skepsis und kritischem Denken zu betrachten wie jede andere Informationsquelle. Das bedeutet, dass Sie den Inhalt sorgfältig prüfen, um sicherzustellen, dass er korrekt und zuverlässig ist, und dass Sie bereit sind, vor der Veröffentlichung alle notwendigen Änderungen oder Korrekturen vorzunehmen. Mit diesen Schritten können Sie dazu beitragen, dass die von GPT-3 und anderen KI-Chatbots erzeugten Inhalte nützlich, genau und wertvoll sind.

Was kann ich tun, um zu verhindern, dass ich oder meine Familie durch Fake News betrogen werden?

Es gibt mehrere Maßnahmen, mit denen Sie sich und Ihre Familie davor schützen können, durch Fake News betrogen zu werden. Hier sind ein paar Vorschläge:

  • Seien Sie skeptisch bei sensationellen Schlagzeilen oder Geschichten, die zu gut (oder zu schlecht) erscheinen, um wahr zu sein. Dies sind oft Anzeichen für gefälschte Nachrichten.
  • Überprüfen Sie die Quelle der Nachricht. Handelt es sich um eine seriöse Nachrichtenorganisation? Enthält der Artikel Quellen und Beweise, die seine Behauptungen untermauern?
  • Suchen Sie nach anderen Quellen, die die Informationen bestätigen. Wenn die Nachricht wahr ist, sollten Sie in der Lage sein, mehrere Quellen zu finden, die ähnliche Informationen liefern.
  • Seien Sie vorsichtig beim Teilen von Nachrichten in sozialen Medien. Das Teilen von gefälschten Nachrichten kann zu deren Verbreitung beitragen, daher ist es wichtig, die Informationen zu überprüfen, bevor Sie sie weitergeben.
  • Sprechen Sie mit Ihrer Familie und Ihren Freunden über die Bedeutung von kritischem Denken und Skepsis, wenn es um Nachrichten und Informationen geht. Ermutigen Sie sie, bei der Bewertung der Nachrichten, die sie erhalten, vorsichtig und wachsam zu sein.

Der beste Weg, sich und Ihre Familie vor Fake News zu schützen, besteht darin, die Informationen, die Sie erhalten, kritisch und skeptisch zu betrachten und sie anhand mehrerer Quellen zu überprüfen, bevor Sie sie als wahr akzeptieren. Auf diese Weise können Sie sicherstellen, dass Sie nicht durch falsche oder irreführende Informationen in die Irre geführt werden.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Gern geschehen! Es war mir ein Vergnügen, Ihnen zu helfen. Wenn Sie weitere Fragen haben, können Sie mich gerne fragen. Ich bin gerne für Sie da.

Das Gespräch führte der Zukunftsforscher Kai Gondlach mit der kostenlosen Chat-KI ChatGPT auf https://chat.openai.com/chat. Übersetzt hat es eine andere KI bei DeepL. ChatGPT spricht / schreibt übrigens auch Deutsch. Photo by Jorge Franganillo on Unsplash.


Künstliche Intelligenz und das Ende von „made in Germany“

https://www.kaigondlach.de/portfolio/whitepaper-kuenstliche-intelligenz-und-das-ende-von-made-in-germany/

300 Auftritte: DANKE!

Im Herbst 2022 war es soweit: ich habe den 300. Bühnenauftritt absolviert (Zeitraum: März 2016 - August 2022)! Die Mehrheit waren Keynotes, ein paar davon vor der Kamera, hinzu kommen ein paar Moderationen. Ich durfte hunderte Städte in Europa besuchen, die ich vorher nie auf dem Schirm gehabt hätte - und habe tiefe Einblicke in Unternehmen und Behörden erhalten, tausende Gespräche mit spannenden Menschen geführt und Zigtausende mit Zukünften inspiriert.

Meine laufende Statistik zeigte mir erstaunliche Zahlen:

  • Anzahl Reise-km: 219.116,06 km (die meisten davon mit der Bahn)
  • Publikum: 53973 Menschen
  • 17035 gesprochene Minuten

Wow.

Während der letzten Jahre ist mir nicht immer bewusst gewesen, wie viel ich unterwegs war. Im Rückblick bin ich vor allem dankbar für so viele großartige Kunden, die mich zu ihren Veranstaltungen eingeladen und um meinen Zukunftsrat gebeten haben.

Ich freue mich auf die nächsten 300+ Events!

Hier ein kleines Video als Dankeschön:

https://youtu.be/4iZdIxo2R4Y